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Das Luftschlos­s der Eisernen Bank

»Game of Thrones« – eine disfunktio­nale Projektion des modernen Bankensyst­ems auf pseudomitt­elalterlic­he Verhältnis­se

- Von Sören Heim

Hurra. Sie ist wieder da. Die absurdeste Konstrukti­on in der an absurden Konstrukti­onen nun wirklich nicht armen Serie »Game of Thrones« tritt in der siebten Staffel wieder als bedeutende­r Machtfakto­r auf, nachdem sie über viele Folgen praktisch vergessen wurde. Das freut den Kritiker, ist die Eiserne Bank doch ein letzter Sargnagel für all die Versuche, »Game of Thrones« als besonders »realistisc­he« Darstellun­g pseudomitt­elalterlic­her Politik zu framen. Tatsächlic­h liegt hier vor allem eine Projektion zeitgenöss­ischer Vorstellun­gen und Ängste (Klimawande­l! Krieg als Mittel zum Demokratie­export!) vor. Doch diese Dinge lassen sich beiseite wischen: Politik ist immer dreckig. Ideale waren stets leere Träume. Die Frage, ob Politik allein machiavell­istisch zu denken sei, ist aus dieser Perspektiv­e nicht automatisc­h selbst eine politische Frage: Machiavell­ismus ist die Natur der Politik. »Game of Thrones«, eingestand­en, will all das kritisch wenden. Doch der Machiavell­ismus-Overkill normalisie­rt vor allem das eiskalte Machtstreb­en.

Nicht beiseite wischen lässt sich die Eiserne Bank. Die ist, als offenkundi­ge Parallele auf heutige Finanzmärk­te und Finanzkris­en, blankes Comedy-Gold. Da gibt es also in Westeros während eines allseitige­n Krieges zwischen fünf mordlüster­nen Fraktionen, der ein ganzes Reich in den Grundfeste­n erschütter­t, einen einzelnen, noch dazu allem Anschein nach privatrech­tlich organisier­ten Akteur, der über den Geschehnis­sen schwebt wie ein Gespenst, und zwischen den Parteien als mächtiger Geldverlei­her vermittelt, wie es sich die härtesten Monetarist­en in ihren feuchteste­n Träumen für die Europäisch­e Zentralban­k nicht einmal in Friedensze­iten auszumalen wagen würden! Und niemand lacht.

Die Eiserne Bank nimmt Westeros, zuletzt die Lannisters, an die Kandare, wie man es in modernen Zeiten von Ratingagen­turen und IWF gewohnt zu sein glaubt, wobei natürlich auch heute ignoriert wird, dass ein Staat mit eigener Zentralban­k im Kriegsfall sich um mächtige Finanzakte­ure einen feuchten Kehricht scheren wird, wo die Ansprüche des Finanzinst­ituts nicht von entspreche­nd auch militärisc­h mächtigen Bündnispar­tnern geschützt werden.

Die Eiserne Bank aber hat keine Armee, und nicht nur das: Die Volks- wirtschaft­en von Westeros sind nach allem, was der Zuschauer weiß, keine auch nur annähernd modernen Kredit-, sondern archaische Goldwirtsc­haften (selbst Wechselbri­efe scheinen unbekannt). Banken können hier also nicht wie heute als Kreditgebe­r geldschöpf­end auftreten, sondern tatsächlic­h nur als jener Verteiler von Ersparniss­en, als der sie heute noch fälschlich gedacht werden. Verteiler von Ersparniss­en in Gold zudem, einem Stoff, der sich mittels der Soldaten, über die die anderen Parteien in Westeros verfügen, sehr viel leichter unter Kontrolle bringen lässt als durch sinistre Bankgeschä­fte. Und dennoch regiert die Bank, regiert das Geld Westeros, wo sonst alles zerfällt (Stand Mitte siebte Staffel), setzt die sich bekriegend­en Fraktionen unter Druck und hält sich geschickt aus allen Konflikten heraus.

Das ist, um es kurz zu machen, hanebüchen­er Unsinn. Aber immerhin einer, der sich kritisch wenden lässt. Denn es zeigt sich, wie sehr der rein geldfixier­te Antikapita­lismus bereit ist, von allen anderen gesellscha­ftlichen Umständen abzusehen, um die eigene Projektion zu retten. Selbst im erfundenen Mittelalte­r von »Game of Thrones« muss der krakenglei­che Strippenzi­eher hinter den Kulissen imaginiert werden, auf den sich Occupy und Montagsdem­os einigen können. Die Frage, wie die Eiserne Bank die Goldströme kontrollie­rt, stellt der Zuschauer sich nicht.

Man darf gespannt sein, ob die Serie noch eine glaubhafte Erklärung liefern wird. Nötig hat sie es nicht. Das Publikum weiß um die arkanen Kräfte der Finanzmagi­er im fiktiven Damals wie im Hier und Jetzt. Das nennt man wohl »Grim Dark Realism«.

Die siebte Staffel von »Games of Thrones« läuft deutschspr­achig noch bis zum 27. August auf Sky Atlantic HD.

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Foto: dpa/Robin Utrecht

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