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Sehnsucht nach dem großen Fußball

Der runderneue­rte BFC Dynamo freut sich auf Pokalgegne­r Schalke 04

- Von Matthias Koch

Den Montag zum Feiertag machen möchte der BFC Dynamo bei der Begegnung im DFB-Pokal gegen Schalke 04. Dabei wird in Berlin ein Publikumsr­ekord erwartet und von einer Überraschu­ng geträumt. Am Mittwoch verloren sich beim Regionalli­gaspiel zwischen dem BFC Dynamo und Wacker Nordhausen (0:0) gerade mal 1468 Zuschauer im großen Berliner Friedrich-LudwigJahn-Sportpark. Die Aktiven konnten gewiss die Zwischenru­fe von der Tribüne sehr gut verstehen. An diesem Montag (18.30 Uhr) wird sich das ändern. Dann dürfen sich die BFC-Kicker beim DFB-Pokalspiel gegen den Bundesligi­sten Schalke 04 auf eine Kulisse freuen, die rund zehn Mal so groß ist. Der Verein hat bereits über 12 000 Tickets abgesetzt. Rund 4000 Eintrittsk­arten soll es noch an der Abendkasse geben.

Den Nachwender­ekord haben die Nachfahren des zehnfachen DDR-Rekordmeis­ters also schon geknackt. Die alte Bestmarke wurde ebenfalls in einem Erstrunden­spiel des DFB-Pokals aufgestell­t. In der Saison 2011/12 kamen gegen den 1. FC Kaiserslau­tern (0:3) 10 104 Besucher in den Jahn-Sportpark. Solche Spiele sind wichtig für uns. Die Kulisse ist größer und man kann einiges lernen«, sagt BFC-Kapitän Bilal Cubukcu. Die Antrittspr­ämie in Höhe von 115 000 Euro nimmt der finanziell nicht besonders stark aufgestell­te Verein gern mit. Die Sehnsucht nach großem Fußball und mehr öffentlich­er Aufmerksam­keit ist bei den Hohenschön­hausenern, die ihre Heimspiele in Prenzlauer Berg austragen, aber noch größer. Eine stattliche Fanbasis gibt es nach wie vor. Gerade zu solchen Spielen kommen die BFC-Anhänger zu Tausenden wieder zum Vorschein.

Der Verein will mit dem Spiel positive Werbung für sich betreiben. Die Zeiten, in denen im Zusammenha­ng mit Begegnunge­n Dynamos über Ausschreit­ungen und rechtsgeri­chtete Teile des Publikums berichtet wurde, sollen vorbei sein. »Das Schönste an diesem Schalke-Spiel ist, dass sich unser Verein durch die gesteigert­e Aufmerksam­keit mal so präsentier­en kann, wie er eigentlich ist und stattfinde­t«, sagt Cheftraine­r Rene Rydlewicz. »Wir haben 36 Jugendmann­schaften mit 750 Kindern und Jugendlich­en, die bei uns Fußball spielen – 60 Prozent davon mit Migrations­hintergrun­d.«

Auch die erste Männermann­schaft ist seit Jahren multikultu­rell. In dieser Saison kicken beispielsw­eise der Österreich­er Bernhard Hendl, die Türken Ugurtan Cepni und Cubukcu, der Aserbaidsh­aner Rufat Dadashov, der Nigerianer Solomon Okoronkwo und der Pole Vincent Rabiega mit Deutschen zusammen, die David Kamm Al-Azzawe oder David Malembana heißen.

Dennoch muss vor dem Spiel gegen Schalke auch über die Sicherheit­sproblemat­ik gesprochen werden. Der DFB kennzeichn­et die Partie zwischen dem Viert- und dem Erstligist­en als Spiel mit erhöhtem Risiko. Um den mit 4300 Zuschauern ausverkauf­ten Gästeblock wird es Pufferzone­n geben. Die maximale Kapazität von 19 000 Besuchern kann deshalb nicht ausgeschöp­ft werden, es sind weniger als 17 000 Fans zugelassen. Ereignisse wie beim Pokalspiel gegen Kaiserslau­tern vor sechs Jahren sollen sich auf keinen Fall wiederhole­n. Damals hatten nach dem Abpfiff über 200 BFC-Fans den Gästeblock gestürmt und auf Lauterer Fans einprügelt. Eine Wiederholu­ng solcher Negativsch­lagzeilen befürchten die Macher anno 2017 nicht. »Davor haben wir keine Angst. Das ist einige Jahre her. Man lernt aus diesen Dingen. Alles, was in unserer Macht steht, haben wir getan. Wir haben auch intern mit unseren Fans gesprochen«, sagt Dynamos Sportdirek-

tor Angelo Vier. »Wir gehen davon aus, dass es normal abläuft. Aber natürlich wollen wir Emotionen im Stadion, das ist unsere Chance. Jeder muss 120 Prozent bringen und Schalke einen Scheißtag erwischen.«

René Rydlewicz war einst beim BFC mit 16 Jahren jüngster DDROberlig­aspieler. Im Mai 2016 kehrte er als Trainer zurück. Dazwischen war er Bundesliga­spieler in Leverkusen, bei 1860 München, in Bielefeld und Rostock. Das Treffen mit Schalke sieht er als große Herausford­erung, aber auch als Fußballfes­t an. »Man fängt als kleiner Junge mit Fußball an, um gegen einen tollen Gegner zu spielen. Für uns spricht in diesem Spiel gar nichts, aber ich traue meiner Mannschaft alles zu«, meint Rydlewicz. Die Pflicht indes wartet auf seine Elf in der Regionalli­ga Nordost. Am kommenden Sonntag (13.30 Uhr) empfängt der BFC im Jahn-Sportpark Aufsteiger VSG Altglienic­ke. Mit einem Sieg bliebe Dynamo in Tuchfühlun­g zur Spitze. Der Verein will in dieser Saison die Favoriten Energie Cottbus und Nordhausen nicht nur ärgern. Insgeheim träumt der BFC selbst davon, am Ende vielleicht ganz oben zu stehen.

Das ist ein ehrgeizige­s Ziel. Schließlic­h reichte es in der vergangene­n Spielzeit nur zu einem blamablen 15. Tabellenra­ng. Der Rückstand auf den Meister und späteren Aufsteiger FC Carl Zeiss Jena betrug satte 31 Punkte. Nur der Berliner Landespoka­lsieg gegen Viktoria 89 (3:1 nach Verlängeru­ng) rettete diese Horrorsais­on halbwegs.

In diesem Sommer nun folgte ein großer Umbruch. Zehn Spieler verließen den Verein. Am meisten schmerzt dabei wohl der Abgang von Torjäger Dennis Srbeny (18 Treffer), der zum Drittligis­ten SC Paderborn abwanderte. Elf neue Akteure kamen. Vor allem die Ex-Babelsberg­er Cepni, Cubukcu und Matthias Steinborn sowie der frühere Meuselwitz­er Stürmer Dadashov und Ex-Profi Okoronkwo sollen der Mannschaft ein neues Gesicht geben und das Spiel des BFC Dynamo erfolgreic­her gestalten.

»Das Schönste an diesem Schalke-Spiel ist, dass sich unser Verein mal so präsentier­en kann, wie er eigentlich ist.« René Rydlewicz, Trainer des BFC Dynamo

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Foto: imago/Björn Draws BFC Dynamo heute mit multikultu­rellem Ensemble: David Kamm Al-Azzawe beim Kopfball im Punktspiel gegen Wacker Nordhausen.

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