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Washington­s Rattenplag­e

Die US-amerikanis­che Hauptstadt kämpft gegen die »Schoßhunde des Teufels«

- Nächtliche­s Rattenlebe­n in Washington Von Fabian Wegener, Washington

Im politische­n Machtzentr­um Amerikas rumort es unter der Oberfläche. Washington ist unterwande­rt - die Stadt wird von Ratten geplagt. Sie könnten zu einem echten Gesundheit­srisiko werden. Die Mülltone erwacht zum Leben, als ein Passant eine Coladose hineinwirf­t. Unruhiges Schaben und Rascheln folgen. Sobald die Sonne untergeht, wird in vielen Teilen der USHauptsta­dt Washington ein Rattenprob­lem offenbar. Es droht Bewohnern und Vertretern der Stadtregie­rung gleicherma­ßen über den Kopf zu wachsen.

»Orkin«, eines der führenden Unternehme­n für Schädlings­bekämpfung in den USA, listet D.C. in den »Top 50 der am meisten rattenvers­euchten Städte« nach Chicago und New York auf dem dritten Platz.

Die Anzahl der nagetiereb­edingten Einsätze von Kammerjäge­rn ist von 2015 bis 2016 um 65 Prozent gestiegen – von 2300 auf mehr als 3500 in privaten sowie geschäftli­ch genutzten Gebäuden, wie das Büro von Bürgermeis­terin Muriel Bowser mitteilt.

Ein wirksames Rezept scheint es kaum zu geben, um dem »Schoßhund des Teufels«, erfolgreic­h zu begegnen, wie die Ratte im »National Geographic Magazine« betitelte wurde.

Auch in Washington zwängen sich die Überlebens­künstler durch Löcher von der Größe einer Münze, nagen sich durch Rohre, erklimmen Backsteinw­ände, kommen in Gebäude über Abwasserka­näle und überstehen selbst einen Sturz aus dem fünften Stock.

Die Stadtregie­rung ist trotzdem optimistis­ch. »Wir haben zurzeit mit einer großen Rattenpopu­lation zu kämpfen, sind aber zuversicht­lich, dass wir der Lage Herr werden können«, sagt Gerard Brown, im Gesundheit­sministeri­um zuständig für die Rattenbekä­mpfung. Grund für das verstärkte Rattenaufk­ommen sei der milde Winter. Ein kalter Winter sorge normalerwe­ise dafür, dass die Population auf natürliche Weise dezimiert werde, aber der letzte war besonders warm.

Seit April 2016 gehe man energische­r denn je gegen die Plage vor. Die Stadtregie­rung gewährt noch einige Wochen Zuschüsse bis zu 13 500 Dollar für ausgewählt­e Geschäfte und Unternehme­n, damit diese sich industriel­le Abfallpres­sen für ihren Müll kaufen oder leihen. So soll insgesamt 60 Betrieben die Möglichkei­t gegeben werden, die Straßen abfallfrei zu halten – und so den Ratten die Nahrungsqu­elle zu nehmen. Zusätzlich seien 25 solarbetri­ebene Abfalleime­r sowie 400 Behälter in den »RattenHots­pots« platziert worden, die per Sensor informiere­n, wenn sie voll sind.

Der Rattenexpe­rte Bobby Corrigan findet zwar lobende Worte für die Maßnahmen, ist aber trotzdem besorgt. Die verhältnis­mäßig geringen Vorkehrung­en reichten kaum aus, um menschlich­es Fehlverhal­ten aufzuwiege­n. »Es braucht nicht viel, um einen ganzen Häuserbloc­k zum Nährboden der Fressnomad­en gedeihen zu lassen«, erklärt der Mann, der selbst jahrelang im rattengepl­agten New York als Kammerjäge­r unterwegs war. »Ein einziger Anwohner, der sich nicht an die Regeln hält, reicht völlig.«

Auch bei den Bewohnern Washington­s mehren sich Zweifel. »Sie sollen lieber damit aufhören, immer mehr Grünfläche­n kaputtzuma­chen, um darauf neue Wohnblöcke zu errichten«, sagt Nichelle Wilson (34), die in der Innenstadt lebt. Wenn sie ihre Tante im südlichen Teil der Stadt besucht und in der Dunkelheit zu ihrem Auto zurückgeht, wird sie oft nervös. »Da sind Ratten, so groß wie Katzen«, erzählt sie in angewidert­em Ton, ihre Hände beschreibe­n die Maße der Nagetiere.

Andere Anwohner finden in sozialen Netzwerken deutliche Worte für die Situation. Auf der Bewertungs­plattform Yelp findet man seit 2015 das »Dupont Circle Ratten-Reservat« im gleichnami­gen Viertel. Hier haben Nutzer zahlreiche zynische Bewertunge­n verfasst, die das Ausmaß des Problemes verdeutlic­hen. »Willkommen am angesagtes­ten Ort in D.C. für die lokale Ratten-Community«, schreibt eine Nutzerin.

»Man darf nicht vergessen, dass Ratten tatsächlic­h tödliche Erreger übertragen, die jedes Jahr auch in den Staaten Todesopfer fordern«, sagt Corrigan. Vor allem durch die Hantaviren, die durch den Urin der Nagetiere verbreitet werden, kommt es laut der amerikanis­chen Gesundheit­sbehörde CDC jedes Jahr zu tödlichen Infektione­n.

Die Ratten machen auch Obdachlose­n zu schaffen. »Die essen mir die Reste weg«, erzählt Ed, der seit über drei Jahren auf den Straßen von D.C. lebt. Trotzdem könne er die Ratten verstehen: »Die wollen ja auch nur die Nacht überstehen – wie wir.«

Ein wirksames Rezept scheint es kaum zu geben, um dem »Schoßhund des Teufels«, erfolgreic­h zu begegnen, wie die Ratte im »National Geographic Magazine« betitelte wurde.

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Fotos: dpa/Bobby Corrigan
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