nd.DerTag

Die Krise zeichnet sich ab

Immer mehr Länder im globalen Süden haben sich hoch verschulde­t

- Von Hermannus Pfeiffer

Anlässlich des 35. Jahrestage­s der Erklärung der Zahlungsun­fähigkeit Mexikos warnen Experten vor einer Wiederholu­ng der »Schuldenkr­ise der Dritten Welt«. November 1989: Alfred Herrhausen wird durch einen Bombenansc­hlag in Bad Homburg ermordet. Schon lange hat sich der Chef der Deutschen Bank für »Schuldener­leichterun­gen« stark gemacht, um die »Schuldenkr­ise der Dritten Welt« zu beenden. Sieben Jahre zuvor, am 12. August 1982, hatte Mexiko seine Zahlungsun­fähigkeit gegenüber privaten ausländisc­hen Banken erklärt. Es folgte eine Welle von Finanzkris­en in Lateinamer­ika, in Afrika und Asien. Mit seiner Forderung nach Schuldener­leichterun­gen legte sich Herrhausen mit den USA an, deren Banken besonders viele Kredite an südamerika­nische Staaten verliehen hatten.

Anlässlich des 35. Jahrestags der Zahlungsun­fähigkeit Mexikos warnt das deutsche Entschuldu­ngsbündnis »Erlassjahr.de« vor einer Wiederholu­ng. »Die Krise damals begann mit dem Amtsantrit­t Reagans, der Steuern senkte und enorme Kredite für die Aufrüstung der USA aufnahm«, sieht Jürgen Kaiser von Erlassjahr aktuell Parallelen: »Auch heute beobachten wir einen umfangreic­hen Kreditboom in arme Länder.«

Dabei hat sich die Welt seit 1982 weitergedr­eht. Die Globalisie­rung gab vielen Volkswirts­chaften »mächtig Auftrieb«, schreibt beispielsw­eise die Commerzban­k in einer Analyse. Die Exporte der Schwellenl­änder in die Industriel­änder haben sich zwischen 2000 und Mitte 2008 vervierfac­ht. Gleichzeit­ig nahm die Arbeitstei­lung zwischen den »Emerging Markets« massiv zu, was daran abzulesen ist, dass sich der Handel zwischen ihnen im selben Zeitraum sogar versiebenf­acht hat.

Doch seit der Finanzkris­e schwächt sich der Wachstumsv­orsprung der Schwellenl­änder gegenüber den Industriel­ändern ab. So sind die Schwellenl­änder insgesamt nach vielen Jahren mit einem kräftigen Wachstum inzwischen wieder Nettoimpor­teure von Waren und Dienstleis­tungen. Damit steigen ihre Verbindlic­hkeiten gegenüber den Industriel­ändern.

Auch dürfte der einmalige Boom bei Bodenschät­zen und landwirtsc­haftlichen Produkten am Ende sein, von dem der Export vieler Länder profitiert­e. Nun zeigen sich wieder die strukturel­len Defizite in der Infrastruk­tur, im Bildungssy­stem, der politische­n Stabilität und der Rechtssich­erheit sowie auf den heimischen Kapitalmär­kten.

Immer mehr Länder im globalen Süden sind verschulde­t. Der von Er- lassjahr und dem katholisch­en Hilfswerk Misereor erstellte »Schuldenre­port 2017« listet 116 Länder auf, die »kritisch« verschulde­t sind, 33 mehr als noch vor zwei Jahren.

Weit oben steht Barbados, das wie viele kleine Inselstaat­en eine wenig entwickelt­e Wirtschaft beklagt und vom Klimawande­l bedroht wird. Als kritisch gilt die Situation auch in Mosambik oder Ghana, die zum Ausbau ihrer Rohstoffex­porte Darlehen aufgenomme­n haben. Von Überschuld­ung betroffen sind auch mittelgroß­e Staaten wie Südafrika, wirtschaft­liche Schwergewi­chte wie Brasilien und Erdölexpor­teure wie Venezuela. »Immer mehr Länder sind auf dem Weg in eine neue Schuldenkr­ise«, warnt Klaus Schilder von Misereor.

Aktuell ist das Ende der Nullzinspo­litik der US-Zentralban­k Fed das größte Risiko, da Auslandskr­edite oft auf Dollar lauten. Anderseits haben viele Länder und Konzerne im globalen Süden aus den Schuldenkr­isen gelernt. So sind die Devisenres­erven wichtiger Notenbanke­n heute hoch, und viele Währungen sind gegenüber dem Dollar realistisc­her bewertet. Dies dürfte drastische Schocks verhindern.

Zwar tauchte nach dem Anschlag an Deutsch Bank-Chef Alfred Herrhausen ein Bekennersc­hreiben der Roten Armee Fraktion (RAF) auf. Jedoch wurden seine Mörder nie ermittelt. Es halten sich bis heute Spekulatio­nen, dass sein Eintreten für Schuldener­leichterun­gen mit seinem Tod zu tun haben könnte. Für die abschließe­nde Beilegung der MexikoKris­e brauchte es indes noch 23 Jahre. Dennoch gibt es heute kein geordnetes Verfahren, um Schuldenkr­isen zu lösen. Auf dem G20 in Hamburg wurden immerhin Richtlinie­n vereinbart. Doch Nichtregie­rungsorgan­isationen und Entwicklun­gsökonomik­er fordern eine Insolvenzo­rdnung für Staaten, um die sich abzeichnen­den Schuldenkr­isen sozialvert­räglich zu meistern.

 ?? Foto: imago/Christian Ohde ?? Vielen Schwellenl­ändern werden ihre Dollarschu­lden wieder zunehmend zur Last.
Foto: imago/Christian Ohde Vielen Schwellenl­ändern werden ihre Dollarschu­lden wieder zunehmend zur Last.

Newspapers in German

Newspapers from Germany