»Jede erhältliche Information über Besucher«
Die US-Regierung verlangt Herausgabe aller IP-Adressen der Besucher einer Anti-Trump-Homepage
Die Trump-Administration will wissen, wer die Trump-kritische Webseite www.disruptj20.org besucht hat. Nun geht der Streit vor Gericht. 1,3 Millionen IP-Adressen von Besuchern einer Trump-kritischen Website soll der Internetprovider Dreamhost an die Ermittler des USJustizministeriums übergeben. So will es ein Durchsuchungsbefehl des Ministeriums. Man benötige »jede erhältliche Information über die Betreiber und – noch wichtiger – über alle Besucher« der Homepage www.disruptj20.org, heißt es in dem Schreiben der USRegierung. Die Seite sei zur »Planung von gewaltsamem Krawall« genutzt worden.
Die bei Dreamhost gespeicherte Seite hatte Proteste zur Amtseinführung von US-Präsident Trump am 20. Januar koordiniert. Landesweit hatten Menschen am Tag der Amtseinführung protestiert. Auch in der Hauptstadt kamen Tausende zusammen, sie protestierten überwiegend friedlich. Doch in der Innenstadt von Washington DC wurden dabei auch Schaufenster von Geschäften beschädigt, laut Angaben des Justizministeriums entstand ein Schaden von 100 000 US-Dollar. Ende Januar war der Provider bereits einer anderen Aufforderung nachgekommen und leitete Informationen über die Betreiber der Seite weiter.
Doch die erneute Anfrage von Ende Juli gehe zu weit; sie »bedrohe die Meinungs- und Versammlungsfreiheit« und sei damit verfassungswidrig, sagt Chris Ghazarian. Deswegen hat der Leiter der Rechtsabteilung von Dreamhost entschieden, die Anfrage, die Daten von 1,3 Millionen Besuchern betreffen würde, abzulehnen. In vielen Fällen kooperiert der Provider mit Ermittlern, doch offenbar häufen sich Anfragen, die aus Sicht der Internetfirma zu umfangreich sind. »Sie wären geschockt zu sehen, wie oft wir juristisch gegen Durchsuchungsbefehle vorgehen müssen«, erklärt die Firma in einer Mitteilung. Mit den IP-Adressen könnte die Identität auch von friedlichen Gegendemonstranten ermittelt werden, befürchtet Dreamhost.
Ziel der Ermittler sei offenbar »eine möglichst breite digitale Schleierfahndung«, erklärte die Electronic Frontier Foundation. Die Internetbürgerrechtler der Stiftung gehen zusammen mit Dreamhost gegen die Anordnung vor. Dreamhost habe »das Richtige« getan und »setze sich für seine Nutzer ein«.
Wie aus dem 60-seitigen Einspruch von Dreamhost hervorgeht, gab der Provider dem Justizministerium noch die Gelegen-
heit, die Anfrage einzuschränken. Weil die Ermittler aber auf ihrer umfangreichen Anfrage bestanden, wird nun ein Gericht entscheiden müssen. Eine für Freitag geplante Anhörung wurde aber verschoben. Als ehemaliger Provideranwalt wisse er nur von »wenigen so breiten Anfragen«, erklärte Albert Gidari von der Standford University dem Nachrichtenportal »Snopes«. Diese seien von Gerichten später eingeschränkt worden. Auch die Ma- cher von disruptj20.org haben sich mittlerweile zu Wort gemeldet: »Sie sind wütend über die Dreamhost-Vorladung? Sie wollen Bürgerrechte verteidigen? Dann spenden Sie für die Angeklagten der Proteste, denen mehr als 80 Jahre Gefängnis drohen.«
Bei den Protesten waren 234 Demonstranten von der Polizei in einem »Kessel« umstellt und festgenommen worden. 197 Beschuldigte stehen wegen »aufständischem Verhalten« vor Gericht, das Mammutverfahren beginnt im November. Dabei wird den Verteidigern zufolge eine Art »Gruppenhaftung« verfolgt. Die Angeklagten hätten sich nach Beginn der Ausschreitungen nicht entfernt und seien deswegen laut Regierung »schuldig«, unabhängig von konkreten Straftaten, so die Anwälte der Gruppe »Defend J21«. Die sieht die Anklagen als Angriff auf zunehmenden Widerstand im Land. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU geht gleichzeitig mit einer eigenen Klage gegen die Polizei in DC vor, wegen übermäßig harter Verhaftungen. Sie hat dokumentiert, das dieses Jahr in 19 US-Bundesstaaten Gesetzesvorlagen zur Verschärfung des Demonstrationsrechts eingebracht wurden.
»Sie wären geschockt zu sehen, wie oft wir juristisch gegen Anfragen vorgehen müssen.« Internetprovider Dreamhost
An Zuständigkeiten ist abzulesen, welches Gewicht Regierungen bestimmten Themen zuweisen. So hat das Amt der Ostbeauftragten längst nicht mehr das selbe Gewicht, seit es nicht mehr einem Staatsminister im Kanzleramt zugeordnet ist. Also ist es auch richtig, wenn Martin Schulz die Zuständigkeit für Integration bündeln will, in einem Ministerium von Gewicht. Integration gilt als eines der entscheidenden Zukunftsthemen, aber bisher ist es vor allem Zankapfel. Unter Integration verstehen nicht einmal alle Parteien dasselbe.
Das Vorhaben ist jedoch zunächst nichts als eine symbolische Geste. Derzeit ist die Integrationsbeauftragte im Kanzleramt angesiedelt, die entscheidenden gesetzgeberischen Impulse aber kommen aus dem Innenministerium von Thomas de Maizière. Dieser behandelt Migration vor allem als sicherheitspolitisches Problem, und seine Sicht dominiert die der Beauftragten Aydan Özoğuz auf erdrückende Weise. Erfolgreiche Integration verlangt auch ein bestimmtes Verständnis von offener Gesellschaft, die von Schulz und de Maizière durchaus vergleichbar gern im Munde geführt wird. Zuständigkeiten allein ändern keine Zustände. Die SPD hat es fertiggebracht, die Entscheidung über den Familiennachzug der Kriegsflüchtlinge immer wieder zu verschieben – bis die letzte Bundestagssitzung vorbei war. Die Menschen, die in Kriegsgebieten oder auf der Route nach Europa feststecken, müssen es ausbaden.