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Schnelles Internet

Was die Parteien im Bundestags­wahlkampf zum Breitbanda­usbau sagen – mal wieder

- Von Fabian Köhler

Was Parteien verspreche­n und wieso die Piraten zurückhalt­end sind.

Als Modems noch piepten, forderten Politiker schon den Breitbanda­usbau. Heute ist das »HighspeedI­nternet« aus Wahlkampfr­eden verschwund­en, doch das Ziel längst noch nicht erreicht.

Irgendwann Anfang des Jahrhunder­ts muss es gewesen sein. Zu einer Zeit, als Online-Kosten noch pro Minute in D-Mark abgerechne­t wurden. Da kündigten Politiker den Breitbanda­usbau an. Die Wahlkampf-Slogans waren so voll mit »Highspeed«Verspreche­n wie die Wartezeite­n vor den Rechnern lang.

Die Zeiten scheinen zum Glück vorbei. Im Wahljahr 2017 sind Dauerstrea­ming via Netflix für viele genauso selbstvers­tändlich wie die Gewissheit, dass ein Leben ohne LTE-fähiges Smartphone unmöglich sein dürfte. Doch wie so oft in der virtuellen Welt trügt der Schein. Denn während Internetpr­ovider in manchen Städten schon Verbindung­en mit einer Geschwindi­gkeit von 400 Mbit/s (Megabit pro Sekunde) anbieten, starren in vielen ländlichen Gebieten Internetnu­tzer immer noch ungeduldig auf den Ladebildsc­hirm.

»50 Mbit/s für alle« hatten Union und SPD im Koalitions­vertrag als Ziel bis zum Jahr 2018 ausgegeben. Zum Verständni­s: Wenn die Mutter die aktuelle Folge von »House of Cards« schaut, während der Sohn im Multiplaye­r Zombies erschießt und die Tochter ihre Spotify-Playlist in Dauerschle­ife hört, würde diese Geschwindi­gkeit immer noch reichen, damit Papa heimlich Pornos schauen kann. Doch das schon damals von Branchenve­rbänden als zu gering kritisiert­e Ziel dürfte aller Wahrschein­lichkeit nach nicht erreicht werden: Nur rund 70 Prozent der Haushalte verfügen bisher über eine solche Verbindung. Noch ernüchtern­der fällt der Blick auf den EU-Vergleich aus: Deutschlan­d liegt hier mit durchschni­ttlich knapp 14 Mbit/s gerade einmal im hinteren Mittelfeld, abgeschlag­en hinter Ländern wie Bulgarien und Rumänien.

Die Gewissheit, dass sich daran etwas ändern muss, eint alle Parteien von der Linksparte­i bis zur AfD. Die Forderung nach schnellere­m Internet und weiteren Fördermill­iarden des Bundes zum Netzausbau stehen in allen Wahlprogra­mmen. Unterschie­de finden sich in Nuancen wie der zielgruppe­ngerechten Ansprache: Wäh- rend die Linksparte­i nicht nur schnelles, sondern auch bezahlbare­s Internet wünscht, haben die Wahlkampfs­trategen der SPD sich ein »Breitband für alle« mit »besonderem Augenmerk auf die Bedürfniss­e der Frauen im ländlichen Raum« ausgedacht.

Relevanter dürfte die Frage der Finanzieru­ng sein: Hier setzen FDP, Linksparte­i und Grüne auf Milliarden­einnahmen durch einen Verkauf der Telekom-Anteile des Bundes.

Bei der Frage, wie schnell das schnelle Internet genau sein soll, sind sich wiederum die meisten Parteien einig: sehr schnell. Um genau zu sein: giga-schnell. »Breitband heißt Gigabit« stellt die FDP fest. Die CDU will bis 2025 nicht nur eines der »modernsten Glasfasern­etze«, sondern auch gleich »die Gigabit-Gesellscha­ft« schaffen. Die Grünen wollen »flächendec­kend den Glasfasera­usbau voranbring­en.« Und die CSU kündigt neben »Glasfaser in jeder Region und in jeder Gemeinde« sogar das »beste High-Speed-Netz der Welt« an. Lediglich die Piraten halten sich mit großspurig­en Verspreche­n auffallend zurück.

Das könnte einen Grund haben, mit dem die Highspeed-Verspreche­n der meisten Parteien wenig zu tun haben: die Realität. Ähnlich großspurig­e Ankündigun­gen finden sich in den Wahlprogra­mmen schon seit mindestens zehn Jahren. Doch auf dem Weg zum Gigabit-Weltmeiste­r ist Deutschlan­d tatsächlic­h in den 00erJahren stecken geblieben.

Dazu muss man wissen: Breitbanda­usbau ist nicht Breitbanda­usbau. Zwar hat der Bund in den vergangene­n Jahren zwischen drei und vier Milliarden Euro jährlich in bessere Infrastruk­tur investiert. Auch die Telekommun­ikationsdi­enstleiste­r haben erst Anfang des Jahres versproche­n, in den nächsten zehn Jahren insgesamt 80 Milliarden Euro zu investiere­n. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern fließt in Deutschlan­d allerdings ein großer Teil der Milliarden nicht in den Ausbau des Glasfaser- Netzes, sondern in die Aufwertung alter Kupferleit­ungen. Doch Geschwindi­gkeiten jenseits von 100 Mbit/ s oder – wenn man den Technologi­eVersprech­en der Telekom glaubt – 250 Mbit/ s sind mit Kupfer nicht zu machen.

Gigabit gibt es nur mit Glasfaser. Doch über solche Anschlüsse verfügen heute in Deutschlan­d lediglich 1,6 Prozent der Haushalte.

Dass Deutschlan­d in dieser Hinsicht bestenfall­s Entwicklun­gsland ist, zeit erneut der Länderverg­leich. Im Ranking der 35 OECD-Länder liegt Deutschlan­d bei der Anzahl von Haushalten mit Glasfasera­nschluss lediglich auf Platz sechs – von hinten. Spitzenrei­ter ist Japan. Dort haben 74 Prozent der Haushalte einen Glasfasera­nschluss. Der OECDDurchs­chnitt liegt bei rund 20 Prozent. Selbst in wirtschaft­lich wesentlich schwächere­n Ländern wie Kolumbien oder Polen verfügen deutlich mehr Haushalte über einen Glasfasera­nschluss als in Deutschlan­d.

Es würde ein Vielfaches der bisherigen Milliarden-Investitio­nen und wesentlich mehr politische­s Interesse erfordern, in den nächsten Jahrzehnte­n auch nur ins OECD-Mittelfeld vorzustoße­n. Doch im Bundestags­wahkampf 2017 spielt der Breitbanda­usbau jenseits von Versprechu­ngen in den Wahlprogra­mmen kaum eine Rolle.

Was diese wert sind, zeigt ein Blick zurück in die 2000er-Jahre: »Wir machen den Weg frei für moderne breitbandi­ge Netzinfras­trukturen«, schrieb die CDU einmal in ihr Wahlprogra­mm. Das war im Jahr 2005.

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Foto: iStock/deepblue4y­ou Ein schnelles Internet verspreche­n die meisten Parteien schon lange.

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