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Ungewisse Zukunft

Die Insolvenz der zweitgrößt­en deutschen Fluggesell­schaft Air Berlin nährt bei den Beschäftig­ten neue Existenzän­gste

- Von Hans-Gerd Öfinger

Die Beschäftig­ten von Air Berlin fühlen sich im Stich gelassen. Sie fürchten um ihre Jobs. Die Crew in Kabine und Cockpit kann auf neue Arbeitsplä­tze hoffen, schlecht sieht es hingegen für die Verwaltung aus. Nach jahrelange­n Einschnitt­en, Opfern und Hoffen auf eine Trendwende überwiegt bei der Belegschaf­t der insolvente­n Fluggesell­schaft Air Berlin nun wieder das Bangen. Während gescheiter­te Manager wie der ehemalige Bahnchef Hartmut Mehdorn nach ihrem Ausscheide­n aus der Air-Berlin-Chefetage weich gefallen sein dürften, droht den Beschäftig­ten ein harter Aufprall, wenn ihr Unternehme­n in den kommenden Monaten zerschlage­n werden könnte. Eine Filetierun­g von Air Berlin war bereits vor einem Jahr mit der Ankündigun­g eingeleite­t worden, AirBerlin-Flugzeuge samt Personal an die Lufthansa-Tochter Eurowings zu vermieten. Die Lufthansa möchte nun offenbar Teile der Air-BerlinGrup­pe aufkaufen.

Die Nachricht der Air-Berlin-Insolvenz ist für die Mitarbeite­r »ein Schock«, erklärte die Pilotengew­erkschaft Cockpit. Ihr Präsident Ilja Schulz begrüßte den von der Bundesregi­erung zugesagten Brückenkre­dit in Höhe von 150 Millionen Euro. Er soll in Form eines Darlehens durch die Kreditanst­alt für Wiederaufb­au zur Verfügung gestellt und durch eine Bundesbürg­schaft abgesicher­t werden und vorerst eine Fortführun­g des Flugbetrie­bs gewährleis­ten. Nun müssten alle Beteiligte­n einschließ­lich der Zulieferer den Flugbetrie­b wieder in geordnete Bahnen überführen, forderte der CockpitChe­f. Da der Luftverkeh­r in Deutschlan­d kontinuier­lich wachse, seien alle Voraussetz­ungen für den Erhalt der inländisch­en Arbeitsplä­tze gegeben, so Schulz.

Aus seiner Sicht ist die Air-BerlinKris­e vor allem eine Folge falscher strategisc­her Weichenste­llungen und Management­entscheidu­ngen in zurücklieg­enden Jahren. »Da kann man schon mal die Frage stellen, wer davon profitiert hat, wenn etwa Leasinggeb­er an überteuert­en Verträgen mit Air Berlin viel Geld verdienen, während das Unternehme­n riesige Verluste angehäuft hat«, so Schulz. Eine maßgeblich­e Verantwort­ung sieht er bei dem Hauptinves­tor Etihad. »Die Investoren vom Golf lassen Air Berlin fallen wie eine heiße Kartoffel, obwohl neue Investoren Interesse signalisie­rt haben«, bemängelte der Gewerkscha­fter. »Es ist ein Skandal, dass sich Etihad nun jeder Verantwort­ung entzieht und die Air-Berlin-Mitarbeite­r im Regen stehen lässt.«

Die Gewerkscha­ft ver.di spricht den Kollegen in Kabine und Cockpit Mut zu. Sie hätten gute Aussichten auf neue Arbeitsplä­tze, sagt Christine Behle vom ver.di-Vorstand. »Für die Crews sind die Chancen sehr hoch.« Auf dem Markt werde viel Personal gesucht. Schwierig sei hingegen die Zukunft für die Verwaltung­smitarbeit­er. »Da machen wir uns große Sorgen, denn jeder mögliche Übernehmer hat ja schon eine Verwaltung«, so Behle. Je nach Käufer gelte das auch für die Technik.

Mit 1200 Kollegen sind nach ver.diAngaben die meisten Verwaltung­smitarbeit­er in der Berliner Zentrale beschäftig­t, mehr als 100 von ihnen seien erst vor einigen Monaten von Düsseldorf dorthin gezogen. In der Technik arbeiten demnach in Berlin 700 Beschäftig­te, in Düsseldorf 220. Die beiden Städte sind mit insgesamt jeweils rund 2900 Mitarbeite­rn die größten Air-Berlin-Standorte.

Ver.di forderte »tragfähige Konzepte« zur Rettung von möglichst vielen Arbeitsplä­tzen. Dabei seien Transparen­z und die Einbeziehu­ng von Belegschaf­t und Gewerkscha­ften in die weiteren Planungen erforderli­ch. Ihnen müssten »alle notwendige­n Informatio­nen« vorgelegt werden, erklärte Behle.

SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz kündigte an, er werde die anstehende­n Verhandlun­gen über die Zukunft der Fluggesell­schaft »vor allem im Interesse der Belegschaf­t sehr intensiv begleiten«.

Kritische Töne schlug unterdesse­n die größte Opposition­sfraktion im Bundestag an. »Der Crash von Air Berlin hat sich schon lange abgezeichn­et, denn schon unter ChaosManag­er Hartmut Mehdorn wurden die Weichen auf Absturz gestellt«, so der LINKE-Bundestags­abgeordnet­e Herbert Behrens. Die 8600 Beschäftig­te und ihre Familien dürften nicht allein gelassen werden, fordert der Verkehrs politiker und Gewerkscha­fter. Für B ehrens ist dieAir-Berl in- Insolvenz Ausdruck eines gnadenlose­n Wettbewerb­s inder Luftverkeh­rsbranche. Die EU-Gesetzgebu­ng habe durch Deregulier­ungen Grauzonen geschaffen, in denen sich seit Jahren prekäre Beschäftig­ungsverhäl­tnisse und unlautere Geschäftsp­raktiken ausbreitet­en .» Dasn eo liberale Luftverkeh­rs wachstums modell zerstört nicht nur die Umwelt, sondern bedroht auch die Existenz Tausender Menschen, die täglich gute Arbeit leisten«, so Behrens.

Als» V er gesellscha­ftungd er Verluste« und» Vor abwahl geschenk ohne Auflagen, ohne Entlassung der inkompeten­ten Manager und ohneSic her heits garantien für die Beschäftig­ten« kritisiert eT hiesGle iss, Mitglied im Vorstand der Linksparte­i, den Kredit der Bundesregi­erung. Er bringt in einem Facebook-Eintrag eine gänzlich andere Rettung ins Spiel: »Wie wäre es mit einer Zurück überführun­g aller deutschen Airlines in eine demokratis­chv er gesellscha­ft ete Mitarbeite­r gesellscha­ft unter öffentlich­er Kontrolle«, heißt es da.

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