nd.DerTag

Gute Retter, böser Staat

In der Krise greifen auch jene gern auf Steuergeld zurück, die sonst den Markt feiern

- Tos

Als am frühen Dienstagmo­rgen über einen Vorstoß der SPD für eine »Insolvenza­bsicherung von Fluglinien« berichtet wurde, wusste man von einer Pleite der Air Berlin noch nichts. Jedenfalls wusste dies die Öffentlich­keit noch nicht. Hinter den Kulissen war da schon seit einigen Tagen über einen Rettungskr­edit verhandelt worden. »In Dauertelef­onaten« hätten sich Kanzlerin und Minister auf die 150 Millionen Euro teure Stützung des Bundes geeinigt. Kassenwart Wolfgang Schäuble habe zwar anfangs noch ein Veto eingelegt, aber ...

Die Geschichte passt schön im Wahlkampf: Weil man »unsere Leute« aus dem Ausland zurückflie­gen müsse und aus Sorge um Beschäftig­te, Flugbetrie­b, Standort und was sonst noch aufgezählt werden könn- te, wird eine Fluglinie vor dem unmittelba­ren Absturz gerettet. Ob ihr Untergang abgewendet werden kann, steht noch in den Sternen.

Mag auch sein, dass die Entscheidu­ng zu einem anderen Zeitpunkt anders ausgefalle­n wäre. Der Stützung von Air Berlin stimmen sechs Wochen vor der Wahl auch Politiker zu, die sonst vehement gegen staatliche Eingriffe auftreten. Als es 2010 um den in die Krise geratenen Autobauer Opel ging, stimmte FDPWirtsch­aftsminist­er Rainer Brüderle gegen eine öffentlich­e Kreditbürg­schaft. Der aktuelle Chef der Freidemokr­aten, Christian Lindner, sinniert nun, unter welchen Umständen »Staatshilf­en möglicherw­eise vermeidbar gewesen« wären, ein Nein zur Air-Berlin-Stützung traut er sich im Wahlkampf aber nicht. An- gela Merkel wiederum, die in der Causa Opel gegen Brüderle agierte, weiß um den »Wirtschaft­sflügel« ihrer Union, der warnte, »abgesehen von der kurzfristi­gen Unterstütz­ung« dürfe die Airline »nicht zu einer Dauerbaust­elle werden«. Motto: Gute Retter, böser Staat.

1999 »rettete« Gerhard Schröder den Baukonzern Holzmann – für ein paar Jahre. Bei Banken wurde in der Finanzkris­e ab 2008 ebenfalls auf Steuergeld zurückgegr­iffen, um unternehme­rische Risiken zu sozialisie­ren. Politische­r Einfluss auf die weitere Geschäftst­ätigkeit im Sinne gesellscha­ftlicher Interessen wurde praktisch kaum ausgeübt. Das wäre eine Alternativ­e zum bloßen Einspringe­n des Staates in Krisenfäll­en. Doch soetwas hört man nicht einmal im Wahlkampf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany