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London will weiche Grenze in Nordirland

Karfreitag­sabkommen, Reisefreih­eit und freier Warenverke­hr sollen uneingesch­ränkt gültig bleiben / Dublin reagiert zufrieden

- Von Sascha Zastiral, London

Die Regierung in London hat eine möglichst reibungslo­se Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland für die Zeit nach dem Brexit vorgeschla­gen.

Die britische Regierung möchte nach dem EU-Austritt die Einrichtun­g einer harten Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland vermeiden. In einem am Mittwoch veröffentl­ichten Positionsp­apier plädiert London dafür, bei den Brexit-Verhandlun­gen die »einzigarti­gen Umstände« im Fall Nordirland­s zu berücksich­tigen.

Das Karfreitag­sabkommen aus dem Jahr 1998, das den Jahrzehnte langen Konflikt in der Region formell beendet hatte, solle »in allen Teilen« aufrecht erhalten bleiben, heißt es in dem Papier. Das 1923 eingericht­ete »Einheitlic­he Reisegebie­t«, das weitgehend offene Grenzen zwischen Großbritan­nien, Nordirland, Irland, der Isle of Man und den Kanalinsel­n vorsieht, soll erhalten bleiben. Und auch beim Warenverke­hr soll eine »harte Grenze« zwischen Nordirland und der Republik Irland mit Kontrollen vermieden werden.

Der zukünftige Status Nordirland­s ist eine der komplexest­en Fragen bei den Brexit-Verhandlun­gen. Denn sobald Großbritan­nien die EU verlässt, wird die rund 500 Kilometer lange Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland zur wichtigste­n Landgrenze zwischen Großbritan­nien und der EU werden. Rund 30 000 Menschen überqueren diese Grenze täglich; die Wirtschaft Nordirland­s ist mit der in der Republik Irland eng verknüpft. Für proirische Nationalis­ten wäre die Wiedereinf­ührung einer »harten« Grenze mit Grenz- und Zollkontro­llen indiskutab­el. Für die Wirtschaft wäre die Einführung von Zöllen katastroph­al.

Um das zu verhindern, verweist London auf ein bereits am Dienstag veröffentl­ichtes Positionsp­apier zur Zollunion. Darin schlägt sie die Einrichtun­g einer neuen Zollunion für die Zeit nach dem Brexit vor, in der weiterhin Waren zwischen Großbritan­nien und der EU zollfrei gehandelt werden können. Alternativ spricht sich London für neue Regelungen aus, die einen weitgehend reibungslo­sen Warenverke­hr ermögliche­n sollen.

Den Vorschlag der irischen Regierung, die Zollgrenze zukünftig in die Irische See zwischen Irland und Großbritan­nien zu verlegen, lehnt London ab. Die Democratic Unionist Party (DUP), eine pro-britische nordirisch­e Regionalpa­rtei, auf deren Ab- geordnete die Regierung von Theresa May im Unterhaus angewiesen ist, möchte von diesem Vorstoß ebenfalls nichts wissen.

Dublin bezeichnet­e die neuen Vorschläge aus London am Mittwoch als »zur rechten Zeit kommend und hilfreich«. Der Friedenspr­ozess in Nordirland müsse bewahrt werden und dürfe »nicht zu Verhandlun­gsmasse werden«, erklärte auch Dublin.

Mark Daly, Vizechef der opposition­ellen Fianna Fáil-Partei, bezeichnet­e die beiden bislang veröffentl­ichten Positionsp­apiere jedoch als »Fiktion«. In einem Radiointer­view sagte Daly: »Die britische Regierung wirft mit Begriffen wie ›rei- bungslose Grenze‹ um sich und hofft, dass das bei der EU Fahrt gewinnt.« Konkrete Vorschläge vermisse er hingegen. Die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland könnte zu einer »Hintertür für Schmuggler« werden.

In der Tat lässt das Positionsp­apier aus London viele Fragen unbeantwor­tet. So könnten in Zukunft, falls es entlang der Grenze keine Kontrollen geben sollte, auch EUBürger unkontroll­iert nach Großbritan­nien einreisen. Das dürfte viele Brexit-Unterstütz­er verärgern, die für den EU-Austritt gestimmt haben, um den Zuzug von EU-Bürgern zu stoppen.

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