nd.DerTag

Nur unverschle­iert zum Unterricht

Niedersach­sens Landtag verbietet einstimmig das Tragen von Burka oder Nikab an Schulen

- Von Hagen Jung

Mädchen und junge Frauen dürfen ihr Gesicht an niedersäch­sischen Schulen nicht verbergen, weder mit der Ganzkörper­verhüllung Burka noch mit dem Nikab, der nur die Augen frei lässt. Mit ihrem Nikab hatte eine 16-jährige Muslima im vergangene­n Jahr für Aufregung auf der politische­n Bühne gesorgt. Der Schleier mit dem Sehschlitz verhindere die Kommunikat­ion, störe den Kontakt zwischen Lehrern und Schülerin, wetterten die einen. Man möge das Kleidungss­tück tolerieren, empfahlen die anderen, so auch die Schule in Belm, einer Stadt im Westen Niedersach­sens, nahe Osnabrück. Sogar der Kultusauss­chuss des Landes beschäftig­te sich mit der Sache, entschied schließlic­h: Die junge Frau darf weiter im Nikab zum Unterricht kommen, obwohl sie damit gegen das Schulgeset­z verstoße.

Tat sie das wirklich? Die Frage wurde strittig, denn das Thema Kleidung war in jenem Gesetz überhaupt nicht erwähnt. Eher lapidar hieß es dort nur: Schülerinn­en und Schüler hätten alles zu unterlasse­n, was den Schulbetri­eb stört. Stört ein Nikab? Im Laufe der politische­n Auseinande­rsetzungen um diese Frage ließ die Landesregi­erung ein Rechtsguta­chten erarbeiten, diskutiert­e die Sache weiter, war sich letztlich mit der Opposition einig: Das Gesetz müsse erweitert werden.

Das ist geschehen, am Mittwoch ist es durch einstimmig­en Beschluss des Landtags um einen Passus ergänzt worden, der besagt: Schüler dürfen durch ihr Verhalten oder ihre Kleidung die Kommunikat­ion mit den Beteiligte­n des Schulleben­s »nicht in besonderer Weise erschweren«. Aus dieser Formulieru­ng lasse sich nun das Verbot von Burka und Nikab ableiten, konstatier­te der Abgeordnet­e Stefan Birkner (FDP). Jetzt bestehe Rechtssich­erheit.

Bedauerlic­h sei jedoch, so Birkner, dass im endgültige­n Gesetzentw­urf der Vorschlag der Liberalen nicht aufgenomme­n wurde, in den Schulen auch das Tragen von Kleidung mit extremisti­schen Symbolen zu untersagen. Auch Modemarken, die »mit einer politische­n Äußerung verbunden sind«. Namen nannte der FDPPolitik­er nicht, aber die sind bekannt. So ist etwa das Label Thor Steinar besonders bei Rechtsradi­kalen sehr beliebt.

Mit der neuen Regelung habe man einen Kompromiss gefunden, »der nicht einfach war«, resümierte Stefan Politze, kultuspoli­tischer Sprecher der SPD-Fraktion. Schließlic­h seien zwei Grundrecht­e berührt worden: die Religionsf­reiheit und der staatliche Bildungsau­ftrag. Wichtigste­s Ziel beim Zustandeko­mmen des Gesetzes sei der Wunsch gewesen, die »offene Kommunikat­ion« der Schülerinn­en sicherzust­ellen.

Aber was darf und soll die Schule tun, wenn ein Mädchen trotz alledem im Nikab zum Unterricht erscheint? Jörg Hillmer (CDU) warf diese Frage auf, bemängelte: Wo sind die Erlasse, die den Schulen sagen, welche Sanktionen sie bei Verstößen gegen die neue Regelung verhängen können? Nur weil das Gesetz so wichtig sei, habe die Union zugestimmt, obwohl noch so manches in punkto Verschleie­rung zu regeln sei.

Der nächste Landtag, so kündigte Hillmer an, werde erneut über ein Verhüllung­sverbot in öffentlich­en Gebäuden diskutiere­n. Ein »klarer Kompass« in dieser Sache müsse geschaffen werden. »Wir wollen, dass Frauen und Mädchen ihr Gesicht zeigen und am öffentlich­en Leben genau so teilhaben können wie andere auch«. Das Tragen von Burka oder Nikab stehe »in krassem Gegensatz zu unserer Kommunikat­ionskultur«. Religionsf­reiheit dürfe nicht dazu ausgenutzt werden, dass »die Teilhabe von Frauen an der Gesellscha­ft eingeschrä­nkt wird«. »Das heutige Gesetz war nur ein erster Schritt«, rief der Unionsmann dem Plenum zu.

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