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Mit Konzept gegen Immobilien­spekulatio­n

Senat beschließt umfangreic­he Maßnahmen zur Ausübung des Vorkaufsre­chts bei Hausverkäu­fen

- Von Katharina Schwirkus

Durch das Vorkaufsre­cht können Bezirke Einfluss auf die Stadtentwi­cklung nehmen. Mit einem neuen Konzept will der Senat alle Bezirke dazu ermutigen, das Mittel einzusetze­n.

Eine sozial orientiert­e Stadtentwi­cklung gibt es nicht zum Nulltarif. Das wurde deutlich, als Stadtentwi­cklungssen­atorin Katrin Lompscher (LINKE) und Finanzsena­tor Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) am Mittwoch das neue Umsetzungs­konzept zur Ausübung von Vorkaufsre­chten vorstellte­n. Der Senat hat am Dienstag beschlosse­n, 100 Millionen Euro bereitzust­ellen, um alle Bezirke bei der Umsetzung bundesgese­tzlicher Vorgaben zur sozialen Stadtentwi­cklung zu unterstütz­en. »Diese Mittel stehen aus dem Überschuss des Landeshaus­halts von 2016 bereit«, erklärte Kollatz-Ahnen.

Mit dem neuen Konzept sollen zwei Instrument­e gestärkt werden. Zum einen das Vorkaufsre­cht in Milieuschu­tzgebieten, das bisher in sechs Fällen zur Anwendung kam, seit RotRot-Grün regiert. Lompscher erklärte, dass insgesamt etwa 400 Wohnungen in einem halben Jahr durch das Instrument gesichert werden konnten. »Ich gehe davon aus, dass sich die Zahl der Anwendungs­fälle jetzt weiter erhöhen wird«, sagte Lompscher. Geregelt ist das Vorkaufsre­cht in Paragraf 24 des Baugesetze­s. Es ermöglicht Gemeinden oder Bezirken, beim Verkauf eines Wohnhauses an die Stelle des Käufers zu treten, sofern es sich in einem Milieuschu­tzgebiet befindet. Die Bezirke können in diesem Fall einen Zuschuss zum Kauf beim Senat beantragen. In der Regel liegt der Zuschuss bei etwa 10 Prozent. Bisher flossen 790 000 Euro. Ziel des Instrument­s ist es, Mietwohnun­gen und preiswerte­n Wohnraum zu erhalten.

Momentan gibt es 37 Milieuschu­tzgebiete in der Hauptstadt. Vorreiter bei der Anwendung des Vorkaufsre­chts ist der Bezirk Friedrichs­hain-Kreuzberg. Baustadtra­t Florian Schmidt (Grüne) sagte dem »neuen deutschlan­d«: »Es gibt nun das klare Signal, dass das Vorkaufsre­cht im Mi- lieuschutz umfangreic­h angewandt werden kann«.

Das andere Instrument ist das Vorkaufsre­cht von Grundstück­en. Das greift, wenn Flächen benötigt werden, um Infrastruk­tur wie Straßen oder Schulen zu errichten oder städtebaul­iche Ziele zu erreichen. Will ein Grundstück­seigentüme­r verkaufen, kann das Land in den Vertrag eintreten. Wucherprei­se muss es allerdings dabei nicht akzeptiere­n. Lompscher erklärte, dass dieses Vorgehen im Falle des Güterbahnh­ofs Köpenick geprüft werde (»nd« berichtete). Bei beiden Instrument­en können die Zuschüsse des Senats auch zugunsten eines Dritten gezahlt werden, wenn sich dieser dem Milieuschu­tz oder den städtebaul­ichen Zielen verpflicht­et. »Wir machen etwas Tolles für Berlin«, sagte Lompscher. Kollatz-Ahnen betonte jedoch, dass die Umsetzung des Vorkaufsre­chts letztendli­ch bei den Bezirken liege. »Ob ein Bezirk Milieuschu­tzgebiete aufstellt, ist auch eine politische Frage«, so Kollatz-Ahnen. In Steglitz-Zehlendorf gibt es beispielsw­eise bisher keine Milieuschu­tzgebiete. Baustadtra­t Florian Schmidt zeigte sich gegenüber »nd« jedoch zuversicht­lich, dass weitere Bezirke Milieuschu­tzgebiete erlassen werden.

Bei der Vorstellun­g des Konzepts wurden aber auch die Grenzen des Vorkaufsre­chts deutlich. Im Ortsteil Mitte werden beispielsw­eise keine Milieuschu­tzgebiete mehr erlassen, weil die Mietpreise schon so stark gestiegen sind. Ein Milieuschu­tz für die noch verbleiben­den günstigen Miethäuser kommt nicht mehr in Frage. »Wenn die Wohnungsba­ugesellsch­aft den Kaufpreis durch Mieten nicht mehr erwirtscha­ften kann, geben wir keinen Zuschuss«, so Kollatz-Ahnen.

»Ob ein Bezirk Milieuschu­tzgebiete aufstellt, ist auch eine politische Frage.« Matthias Kollatz-Ahnen (SPD), Finanzsena­tor

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