nd.DerTag

Spruch, der hilft, gegen den Strom zu rudern

- Von Rimvydas Stankeviči­us

Eins, und die Hexe der Eberesche errötet.

Eins und die Perlen zerstreuen sich büschelwei­se.

Eins, und die Flammen werden zu Sätzen.

Eins, und sie verbrennen den Schnee ringsum.

Einer allein im Gestrüpp des wirren Lebens.

Einer allein in den Briefen, geschickt durch den Dunstabzug. Einer allein unterstrei­che ich alles, was weggestric­hen. Einer allein – und alles, was unterstric­hen ist, streiche ich weg.

»die allereinfa­chsten zaubersprü­che. poetische rituale«, so heißt der Band des litauische­n Dichters Rimvydas Stankeviči­us. Der Titel trügt nicht, denn hier werden tatsächlic­h Beschwörun­gen versucht. Beginnend mit dem »Verspreche­n, in helleren Tönen zu schreiben«, und endend mit einer »Agonie im Garten Gethsemane«, wagt sich der 1973 geborene Autor in eine kaum definierba­re Sphäre des Sakralen. Auf eine persönlich glaubwürdi­ge, überzeugen­de Weise. Da findet sich eine »Entsühnung durch Rauch« und ein »Spruch, der die Liebe herbeiruft«. Einer soll »Ausdauer auf der Reise verleihen«, ein anderer helfen, »zu seinen Kräften zu finden«. Dabei sind es Gedichte, die in ihrer poetischen Verdichtun­g den Leser brauchen, um sich zu entfalten (Aus dem Litauische­n von Cornelius Hell, Wieser Verlag, 77 S., geb., 18,40 €). I.G.

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