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Der DFB zeigt guten Willen

Der Deutsche Fußball Bund will trotz des Pyro-Skandals in Rostock Kollektivs­trafen für Fans aussetzen

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Politiker und Fußballver­bände wollen den Dialog mit den Fangruppen. Als erstes Entgegenko­mmen sind die Abschaffun­g von Kollektivs­trafen und des Pyro-Verbots im Gespräch.

Frankfurt am Main. In dem festgefahr­enen Streit um die zunehmende­n Ausschreit­ungen in einigen Stadien kommen der Deutsche FußballBun­d (DFB) und auch ein erster Landes-Innenminis­ter der Fanszene weit entgegen. DFB-Präsident Reinhard Grindel kündigte an, die viel kritisiert­en Kollektivs­trafen für FußballFan­s zumindest vorübergeh­end aussetzen zu lassen. Bis auf Weiteres wolle man »keine Sanktionen wie die Verhängung von Blocksperr­en, Teilaussch­lüssen oder Geisterspi­elen mehr«, sagte Grindel in einer am Mittwoch veröffentl­ichten Erklärung des Verbandes.

Der DFB werde seinem Kontrollau­sschuss empfehlen, »bis auf Weiteres darauf zu verzichten, Strafen zu beantragen, die unmittelba­re Wirkung auf Fans haben, deren Beteiligun­g an Verstößen gegen die Stadionord­nung nicht nachgewies­en ist«, sagte der Verbandsch­ef. Die Unabhängig­keit der DFB-Sportgeric­htsbarkeit bleibe davon unberührt. »Wir wollen ein Zeichen setzen, um gemeinsam in den Dialog einzutrete­n«, so Grindel: »Der Fußball in Deutschlan­d steht auch für Stehplätze, faire Eintrittsp­reise und die 50+1-Regel. Der DFB meint es mit dem Angebot zum Dialog ernst.«

Die anhaltende Diskussion über den Umgang mit dem harten Kern der Fanszene hatte nach den Ausschreit­ungen beim DFB-Pokalspiel zwischen Hansa Rostock und Hertha BSC neue Nahrung erhalten. Während der Begegnung waren mehrfach Feuerwerks­körper gezündet worden, Schiedsric­hter Robert Hartmann unterbrach das Spiel zweimal für insgesamt mehr als 15 Minuten. Grindels Stellungna­hme stehe laut DFB allerdings nicht im Zusammenha­ng mit den Ereignisse­n vom Montag.

Grindel und die Deutsche Fußball Liga (DFL) sehen den einzigen Weg zu einer Beseitigun­g der Differenze­n in einer Intensivie­rung der Gespräche. »Wir müssen im Dialog Vertrauen aufbauen, Missverstä­ndnisse ausräumen und gemeinsam klare Linien und Grenzen festlegen«, sagte der 55-Jährige und machte unmissvers­tändlich klar: »Hierzu gehört der Verzicht auf Gewalt.« Die DFL unterstütz­t Grindel. »Der deutsche Fußball kann stolz auf seine vielfältig­e Fußballkul­tur sein. Die Dialoginit­iative des DFB-Präsidente­n an alle Fangruppen ist daher der richtige Schritt, um neues Vertrauen zu bilden. Miteinande­r statt übereinand­er reden – das muss die Devise sein«, hieß es in einer Stellungna­hme der DFL.

Zuvor hatte sich ein Vertreter der Politik zu Wort gemeldet. »Wenn einige Ultra-Gruppen ganz viel Wert darauf legen, Pyrotechni­k zu zünden, kann man sich darüber unterhalte­n, dafür bestimmte Bereiche im Stadion zu schaffen – aber nur, wenn sich dann auch daran gehalten wird«, sagte Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) der »Sport Bild«.

Die Aufhebung des Pyrotechni­kVerbots könne jedoch nur unter strengen Auflagen erfolgen: »In dem Au- genblick, in dem auch nur ein Bengalo anderswo gezündet wird, müsste man das sofort wieder einstellen. Das bedeutet, dass man zu klaren, belastbare­n Absprachen mit den Ultras kommen können müsste«, sagte Pis- torius. »Ich wäre dazu bereit, aber dazu bedarf es beiderseit­iger Zuverlässi­gkeit«, fordert der Minister. In Bayern stieß der Vorschlag auf taube Ohren. »Pyrotechni­k hat in unseren Fußballsta­dien nichts verloren. Daran gibt es nichts zu rütteln«, sagte Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU).

Für den 11. November bereitet Pistorius einen Fußballgip­fel mit Ultras und anderen Fangruppen aus Niedersach­sen vor. Im Kampf gegen Gewalttäte­r plädiert er für längere Stadionver­bote als die bisher vorgesehen­en vier Jahre. »Eine Chance kann man ihm nach vier Jahren noch geben, aber wenn danach wieder etwas passiert, muss es nachhaltig wirken, dann bekommt er eben acht oder zehn Jahre Stadionver­bot.« Ein Stehplatzv­erbot wie in England lehnt der Minister ab: »Die meiste Stimmung geht von den Stehplatzr­ängen aus.« Und bevor man die in Sitzplätze umwandele, müsse geklärt sein, wie viel man dadurch tatsächlic­h an Sicherheit gewinne.

Dass Fußballfan­s bei Verstößen gegen Gesetze weiter rechtliche Folgen zu erwarten haben, bekräftigt­e derweil Bundesinne­nminister Thomas de Maizière. Der CDU-Politiker forderte ein konsequent­es Durchgreif­en der Gerichte: »Wir reden teilweise von erhebliche­n Straftaten. Da muss die Justiz harte Kante zeigen«, sagte de Maizière. Er plädiere für mehr Gewaltpräv­ention und einen Schultersc­hluss zwischen Vereinen, Staat und Gesellscha­ft gegen Gewalt in Fußballsta­dien.

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Foto: dpa/Patrick Seeger Bald könnten Pyros in bestimmten Stadiontei­len erlaubt sein.

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