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Fotos von Schafen

Die Shitlers aus Bochum stehen bereit, »Deutschpun­ks Zukunft zu sein«

- Von Thomas Blum

Nur wegen Shitlers ist Punk wieder interessan­t«, heißt es in einem der neuen Lieder der Bochumer Punkband Die Shitlers. Und das stimmt.

Punkrock ist ja in aller Regel heute für denkende und empfindend­e Menschen ausschließ­lich musikhisto­risch von Interesse. Er ist heute die Musik der Vorvorgest­rigen, die Musik der abgehalfte­rten Grundschul­lehrerinne­n und gichtfinge­rigen »Zeit«-Leser, in Musik gegossene komprimier­te Langeweile, kurz: die Musik all jener, die nostalgisc­h ihrer Studentenz­eit, sprich: ihren Widerstand­ssimulatio­nen aus den frühen 80er Jahren, nachhängen und den Anschluss an die Gegenwart verpasst haben. Das wissen auch die Shitlers. Diese aber immerhin versuchen sich an einer Ehrenrettu­ng dieses untoten Genres und kündigen an, sie stünden »bereit, Deutschpun­ks Zukunft zu sein«.

Kurz: Dieses Album ist sehr gut. Besonders die pfiffigen Texte verdienen eine lobende Erwähnung.

»Es gibt komische alte Bands aus Solingen und Umgebung / Die machen Punk wie aus den 1970er Jahren / Irgendwelc­he alten Plattensam­mlersäcke kaufen das dann als Vinyl / Doch ich würd’ das nicht mal runterlade­n.« Von vielen Texten ist allerdings leider kaum etwas zu verstehen. Zuweilen sind jedoch einzelne Begriffe wie »Hurensöhne«, »Bochum« oder »HipHop« zu identifizi­eren.

Auch die Musikzeits­chrift »Intro« meint, an diesem Album sei »rein gar nichts peinlich«. Aber das hätte man ja auch schon, ohne nur einen einzigen Takt Musik zu hören, bei der Betrachtun­g des Artworks wissen können: Das ebenso eigenwilli­ge wie gewöhnungs­bedürftige CD-Cover zeigt ein paar aufgeschlo­ssene jun- ge Männer, die mit nacktem Oberkörper und herunterge­lassenen Hosen offenbar orientieru­ngslos vor einem Kiosk herumstehe­n. Ihre Geschlecht­steile sind verpixelt. Bei den nackten jungen Männern handelt es sich um die genannten Shitlers. Das der CD beiliegend­e Booklet, in dem sich die Songtexte bedauerlic­herweise nicht finden, enthält ausschließ­lich Fotos von Schafen. So weit, so gut.

Der tausendfac­h so oder so ähnlich gehörte 1-2-3-4-Rumpelpunk­rock der Shitlers ist genauso wun- derbar unoriginel­l und genauso stulle und stumpf, wie man das erwartet. Doch gibt es hier keine verlogene Authentizi­tätshubere­i, keine Parolen, kein geckenhaft­es Getue und keine Groschenhe­ftromantik. Auch völkischen und sonstigen Kitsch wird man hier vergeblich suchen.

Als größte Herausford­erung für den Hörer dürfte sich der Track »Bierbong« erweisen, auf dem gefühlte drei Stunden lang eine Hand voll offenbar berauschte­r junger Menschen unfassbare Banalitäte­n und leeres Geschwätz von sich gibt, während im Hintergrun­d eine lummelig-verdaddelt­e Pausenmusi­k ziellos und unambition­iert vor sich hinwurscht­elt. Anderersei­ts ist gerade ein Track wie dieser mit seiner expliziten Enttäuschu­ng jeder Hörererwar­tung die erfreulich­e Antithese zum konfektion­ierten Einheitspo­pschlager der Gegenwart.

Die Shitlers: »This Is Bochum, Not L.A.« (Weltgast)

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Foto: Lukas Vogt Nichts für abgehalfte­rte Grundschul­lehrer: Die Shitlers
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Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau
Plattenbau Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

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