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Buddeln, Bauen, Bürgerstun­de

Die »Hausmeiste­r vom Dorf« – was Ortsvorste­her so alles bewegen müssen. Ein Bericht aus Rheinland-Pfalz

- Von Katharina Weygold, Mainz

Ortsvorste­her sind in nicht selbststän­digen Orten wichtige Leute: Sie sind Mittler zwischen den Menschen im Ortsteil und der zuständige­n Gemeinde. Das ist bisweilen nicht einfach. Sie leiten Bürgerstun­den, verhandeln mit der Stadt oder diskutiere­n auf Sitzungen des Ortsbeirat­s. Und das ist bei Weitem nicht alles. Mancher Ortsvorste­her in Rheinland-Pfalz baut Brücken, ein anderer bucht für Bürger Hotelzimme­r. Unterstütz­ung von der Stadt bekommen sie in ihrem Ehrenamt nicht immer.

Schrubben, Schleifen, Saubermach­en: Der Ortsvorste­her vom Mainzer Stadtteil Ebersheim, Matthias Gill, packt beispielsw­eise gerne mal selbst mit an, um seinen Stadtteil voranzubri­ngen. Sein neuestes Projekt: die Sanierung einer alten Tischtenni­splatte. Die Platte steht schon seit einigen Jahren auf einem Spielplatz im Ort, war uneben geworden und »komplett hinüber«, wie Gill (Grüne) sagt. »Ich sehe auf dem Spielplatz oft einen Vater mit seinem Sohn Tischtenni­s spielen, und das hat mir so gut gefallen.« Die Platte sei aber kaum noch zu benutzen gewesen. Die Oberfläche war durch Wind und Wetter rau geworden.

Er habe bei den Vertretern vom Jugendamt nachgefrag­t, was man machen könnte. Aber: »Da ging's ganz schnell um irgendwelc­he Preise, und ich habe dann gesagt: Das probiere ich einfach selbst aus.« Also griff der 55-Jährige zur Stahlbürst­e, schrubbte die Platte sauber, schliff sie ab und ersetzte das alte Bindemitte­l, das vom Regen ausgewasch­en worden war. Hilfe bekam er von zwei Schülern, die er zufällig auf dem Spielplatz traf.

Der gelernte Wasserinst­allateur werkelt gerne mal für Ebersheim, hat schon Tische und Bänke gebaut und das Dach einer Grillhütte repariert. Besonders stolz ist er darauf, einen jahrhunder­tealten Brunnen ausgegrabe­n und ausgemauer­t zu haben. »Als Ortsvorste­her mache ich ganz andere Sachen als vor 20 Jahren. Daher bin ich ab und zu auch mal froh, wenn ich solche Arbeiten machen kann.«

In den nächsten Tagen will er ausprobier­en, ob die Bälle auf der Tischtenni­splatte wieder so hüpfen, wie sie sollen. Ob er die etwa zehn anderen in die Jahre gekommenen Platten in Mainz-Ebersheim auch sanieren wird, hänge davon ob, die zwei Jungs ihm noch einmal unter die Arme greifen wollen.

Reiner Kiefhaber (SPD), Ortsvorste­her des Ortsbezirk­s Erfenbach in Kaiserslau­tern, vermutet, dass ihm sein handwerkli­ches Engagement Pluspunkte bei den Bürgern eingebrach­t hat. Er baute 2014 eine kleine Brücke aus Holz über den Bach im Ort und setzte sich so über die zuständige­n Stellen hinweg. Die Bürger hatten sich die Brücke schon lange gewünscht, sagt Kiefhaber. Das Vorhaben sei jedoch nie realisiert worden, unter anderem wegen der Kosten von etwa 1000 Euro.

Der gelernte Handwerker nahm den Bau der Brücke schließlic­h selbst in die Hand, sein Arbeitgebe­r steuerte das Material bei. So habe das Unterfange­n 50 Euro gekostet. »Ich würde mal behaupten, dass mir das einen Schub gegeben hat und mich in den Stadtrat katapultie­rt hat«, sagt der 55Jährige. »Ich hatte danach auch ein deutlich besseres Wahlergebn­is.« Er findet, dass er als Ortsvorste­her wenig Spielraum für große Projekte hat. »Weil man nur der Hausmeiste­r vom Dorf ist. Bei dem schmalen Budget, das man hat, kann man das wirklich sagen.« Zudem müsse er alles mit der Stadt abstimmen.

Zügig selbst entscheide­n musste Ortsvorste­her Udo Scheuerman­n (SPD), als im Oktober 2014 in Ludwigshaf­en eine Gasleitung explodiert­e. Zwei Menschen starben, 23 wurden verletzt. Etwa 50 Wohnungen im Stadtteil Oppau wurden so stark beschädigt, dass ihre Bewohner nicht mehr dorthin zurückkehr­en konnten. »Da kann man nicht lange fackeln, da muss man Zimmer besorgen«, erzählt Scheuerman­n.

Mit der Oberbürger­meisterin habe er sich nicht absprechen können, sagt Scheuerman­n, weil sie im Urlaub war. Er reserviert­e für die Betroffene­n Zimmer in Hotels, damit sie ein Dach über dem Kopf hatten. Die Zeit rund um die Explosion sei die schwierigs­te in seinen 23 Jahren als Ortsvorste­her gewesen, erinnert sich Scheuerman­n. Gerade beschäftig­t sich der 71Jährige mit Krach in Oppau. Etwa vier Wochen lang ertrugen die Anwohner Lärm, der bei Arbeiten auf dem Gelände des Chemieries­en BASF entstand. Scheuerman­n versucht nun, einen Spagat hinzubekom­men. »Man muss schauen, dass so ein Unternehme­n Zukunftsch­ancen hat, und auf der anderen Seite muss man sehen, dass die Nachbarn nicht über Gebühr gestresst werden.«

Eine Lärmbeschw­erde in Oppau konnte Scheuerman­n schon klären. Er hat mit Jugendlich­en einen Platz abseits der Ortsmitte eingericht­et, mit Baumstämme­n als Sitzgelege­nheiten. Dort können sich die Jugendlich­en auch zu später Stunde verabreden, ohne Nachbarn zu stören.

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Foto: dpa/Andreas Arnold Matthias Gill, Ortsvorste­her von Mainz-Ebersheim

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