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Festgesetz­t und freigelass­en

Madrid, Ankara und Berlin im Tauziehen um den deutsch-türkischen Schriftste­ller Dogan Akhanli

- Von Velten Schäfer

Am Samstag wurde in Spanien der Autor Doğan Akhanli auf türkischen Wunsch vorübergeh­end verhaftet. Womöglich geht es um einen alten Fall, der auf innertürki­sche Konflikte deutet. Zwischen Berlin und Ankara gibt es neuen Streit um eine mutmaßlich politisch motivierte Verhaftung. Am Samstag war der linke Autor Doğan Akhanli in seinem Urlaub in Granada von der spanischen Polizei aufgrund einer von der Türkei erwirkten »Red Notice« bei Interpol festgenomm­en worden. Am Sonntag verfügte ein Richter in Madrid die vorläufige Freilassun­g des deutschen Staatsbürg­ers. Akhanli darf aber die Stadt nicht verlassen.

Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte zuvor an Spanien appelliert, einem türkischen Auslieferu­ngsgesuch nicht stattzugeb­en. Nach Akhanlis vorläufi- ger Freilassun­g zeigte er sich erleichter­t: »Es wäre schlimm, wenn die Türkei auch am anderen Ende Europas erreichen könnte, dass Menschen, die ihre Stimme gegen Präsident Erdogan erheben, in Haft geraten würden.« Er sei »sicher, dass eine Auslieferu­ng nicht erfolgen wird«, sagte er.

Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) telefonier­te mit Akhanli und äußerte die Hoffnung, dass dieser bald in seine Kölner Wahlheimat zurückkehr­en könne.

Mit einer »Red Notice« können Länder Personen internatio­nal zur Fahndung ausschreib­en. Nach einer Festnahme ist ein Auslieferu­ngsbegehre­n nachzureic­hen, über das die Justiz des festnehmen­den Landes zu entscheide­n hat. Ein solches Gesuch lag am Sonntag noch nicht vor. Die Türkei hat nun 40 Tage Zeit, es beizubring­en.

Was die türkische Justiz Akhanli genau vorwirft, ist daher noch unbekannt. Der linke Schriftsel­ler hatte sich zuletzt sehr kritisch über die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan geäußert und zu empfindlic­hen Themen publiziert, etwa zum Genozid an den Armeniern.

Bekannt ist auch, dass die türkische Justiz dem 1991 nach Deutschlan­d geflohenen und später eingebürge­rten Schriftste­ller die Mitgliedsc­haft in einer kommunisti­schen Untergrund­gruppe vorwirft. 2010 war er bei einer versuchten Einreise in die Türkei wegen einer angebliche­n Beteiligun­g an einem blutigen Banküberfa­ll im Jahr 1989 verhaftet worden. Damals kam er rasch aus Untersuchu­ngshaft frei und wurde 2011 freigespro­chen – was 2013 aber revidiert wurde.

Schon dieses Verfahren galt als politisch motiviert. Interessan­t ist dabei aber der Frontverla­uf: Freigelass­en worden war Akhanli damals nach Interventi­onen des Justizmini­steriums. Gegenüber dem Publiziste­n Eren Güvercin mutmaßte er 2011, »zwischen die Fronten« geraten zu sein: Die ihn damals verfolgend­en Staatsanwä­lte hätten dem »nationalis­tischen Lager« angehört – mit dem die islamisch orientiert­e AKP seinerzeit in Konflikt stand.

Sollte das nun erwartete Auslieferu­ngsbegehre­n gegen Akhanli also tatsächlic­h auf jenem alten Fall aufbauen, ist es womöglich als innenpolit­isches Signal Erdoğans an die einst mit ihm verfeindet­en Nationalis­ten zu deuten.

»Die für meinen Fall zuständige­n Staatsanwä­lte und Richter sollen dem nationalis­tischen Lager angehören.« Doğan Akhanli, 2011

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