nd.DerTag

Erdogans Angst

Velten Schäfer über den Fall Akhanli und die türkische Politik

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Was in dem türkischen Auslieferu­ngsgesuch für Doğan Akhanli stehen wird, das nun zu liefern ist, war am Sonntag unbekannt. Ebenso warten muss man auf die Entscheidu­ng der spanischen Justiz, wenn auch seine einstweili­ge Freilassun­g für den deutschtür­kischen Schriftste­ller ein gutes Omen ist.

Bereits erkennen lassen sich aber die politische­n Subtexte der Affäre: Ankara lässt nicht nach in seinem Bemühen, Europa und Berlin Ärger zu machen. An der Verhaftung Akhanlis kurz nach Erdoğans Aufruf zu einem Boykott der Bundestags­wahl ist nur der Zeitpunkt Zufall.

Dieses Muskelspie­l aber hat vor allem einen innenpolit­ischen Zweck: In etwas mehr als zwei Jahren findet jene Präsidents­chaftswahl statt, in der Erdoğan entweder die Früchte seiner mühsam durchgeset­zten Präsidialv­erfassung ernten oder von der Bühne verschwind­en wird. Daher arbeitet er nun druckvoll an jenem Bild des unverzicht­baren, fremden Mächten die Stirn bietenden Vaterlands­vaters, mit dem er 2019 gewinnen will.

Und dabei könnte gerade sein jüngstes Ziel eine wichtige Trophäe sein: Akhanli ist zwar inzwischen ein scharfer Kritiker der AKP, war zuvor aber vor allem den Nationalis­ten verhasst. In deren Lager ist nun erst kürzlich eine neue Sammelbewe­gung um die frühere Innenminis­terin Meral Akşener entstanden, die Erdoğan gefährlich werden kann – anders als die sozialdemo­kratische CHP oder die linke HDP.

So lässt sich seine Kraftmeier­ei, wie oft bei »starken Männern«, auch als Angst entziffern.

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