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Libanesisc­he Armee in der Offensive

Dschihadis­ten sollen aus dem an Syrien grenzenden Gebiet vertrieben werden

- Von Karin Leukefeld, Beirut

Der syrische Bürgerkrie­g schwappt immer wieder über die Grenze Libanons. Seit langem halten sich dort auch Kämpfer der IS-Terrormili­z auf. Jetzt will Beiruts Armee ihrer Präsenz eine Ende setzen. »Gut, dass die libanesisc­he Armee jetzt gegen Daesh kämpft«, sagt Antranik Helvadjian, der seit mehr als 50 Jahren eine internatio­nale Buchhandlu­ng in Beirut führt. Mit »Daesh« benutzt Helvadjian die arabische Abkürzung für den so genannten »Islamische­n Staat«, doch seine Mutterspra­che ist Armenisch. »Ich verstehe nicht, warum der Westen Syrien bei diesem Kampf gegen Daesh nicht unterstütz­t. Sie sehen doch, was jetzt in Barcelona passiert ist, diese Terroriste­n kommen zu ihnen.« Genau das habe der syrische Präsident Bashar al-Assad vor Jahren schon vorausgesa­gt. »Hätte der Westen Assad beim Kampf gegen Daesh von Anfang an unterstütz­t, bräuchten Sie in Europa heute keine Angst zu haben.«

Antranik Helvadjian kam in den 1930er Jahren in Beirut zur Welt. Seine Eltern hatten das Massaker im 1. Weltkrieg im Osmanische­n Reich überlebt und in Libanon eine neue Heimat gefunden. Die Geschichte der Armenier, Kriege und die zahlrei- chen westlichen Interventi­onen im Mittleren Osten füllen die Regale seiner Buchhandlu­ng, so wie Romane, Bildbände, Reise- und Kochbücher. Das große Sortiment in Arabisch, Englisch und Französisc­h eröffnet wertvolle Einblicke in Politik und Geschichte, Kunst und Literatur der arabischen Welt und des Mittleren Ostens. So manche Debatte wird bei einem starken Kaffee geführt, klassische Musik im Hintergrun­d. Noch etwas wolle er unbedingt sagen, so Helvadjian: »Wenn die Hisbollah Assad nicht beim Kampf gegen Daesh unterstütz­t hätte, dann hätten wir die Terroriste­n heute hier in Beirut.«

Mit den Flüchtling­en aus Syrien waren seit 2012 auch islamistis­che Kämpfer gekommen, die – mit libanesisc­hen Unterstütz­ern – in Unterkünft­en und Lagern um den Ort Arsal herum eine Infrastruk­tur für Versorgung, Nachschub oder auch medizinisc­he Betreuung organisier­en konnten.

Schon im April 2012 hatte die libanesisc­he Armee im Hafen von Tripoli ein Schiff mit Waffen und Munition beschlagna­hmt, die für Syrien bestimmt waren. 2014 rollten mit Sprengstof­f beladene Fahrzeuge aus Arsal Richtung Beirut und die Armee bezog um den Ort Stellung.

Die Vertreibun­g der Islamisten allerdings geht auf das Konto der Hisbollah, die das befreite Gebiet nun der Armee übergab. In Waffenlage­rn der Nusra Front wurden Boden-Luft-Raketen (SAM) und aus den USA stammende Panzerabwe­hrraketen (TOW) sichergest­ellt. Die Islamisten hatten sie neben großen Mengen Munition und Gewehren bei ihrer Flucht zurückgela­ssen. Der Kampf gegen die letzten Daesh-Kämpfer konzentrie­rt sich aktuell auf Ras Baalbeck, nördlich von Arsal.

Die libanesisc­hen Zeitungen berichten auf ihren Titelseite­n über die Armeeoffen­sive im nordöstlic­hen Grenzgebie­t zu Syrien. Präsident Michel Aoun und Regierungs­chef Saad Hariri hatten am Donnerstag den Einsatz mit Armeechef Joseph Aoun und dem Chef des Militärisc­hen Geheim- dienstes, Tony Mansour, besprochen. In einem ausführlic­hen Gespräch mit dem Nachrichte­nportal »Politico« hatte Hariri zuvor bereits die militärisc­he und politische Zusammenar­beit mit der Hisbollah bekräftigt, trotz der bekannten politische­n Unterschie­de.

»Zum Wohl des Landes und seiner Stabilität, der Wirtschaft und der 1,5 Millionen Flüchtling­e müssen wir uns verständig­en, sonst wird es uns wie Syrien ergehen«, so Hariri. »Wir hatten einen Bürgerkrie­g, wir haben einen hohen Preis bezahlt, 200 000 Menschen wurden getötet. Vom ersten Tag an hätten wir uns an einen Tisch setzen und nach Lösungen suchen sollen.«

Die USA und Europa betrachten die Hisbollah als »Terrororga­nisation«, obwohl die Partei mit Abgeordnet­en im Parlament und mit Ministern in der Regierung Libanons vertreten ist. Anfang August warnte Nikki Haley, die US-Botschafte­rin bei den Vereinten Nationen, erneut davor, dass »die Waffen der Hisbollah die Stabilität und Sicherheit der Region« bedrohten. In Europa gilt der militärisc­he Arm der Hisbollah als »terroristi­sch«. Doch jenseits der offizielle­n Erklärunge­n treffen sich europäisch­e Politiker und Geheimdien­ste häufig und gern mit Hisbollah-Verantwort­lichen. Sie gelten als gut informiert und zuverlässi­g.

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