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Ganz Finnland trauert

Polizei stuft Messerangr­iff eines Marokkaner­s als Terroransc­hlag ein

- Von Bengt Arvidsson, Stockholm

Am Sonntagmor­gen um 9.30 Uhr legten Bürger und Vertreter von Regierung, Polizei sowie Kirche Blumen auf dem Marktplatz der alten finnischen Hafenstadt Turku nieder und zündeten Kerzen für die Opfer der Messeratta­cke vom Freitagnac­hmittag an. Um zehn Uhr folgte eine Schweigemi­nute im ganzen Land. Die kleine Nation in Nordeuropa mit nur 5,5 Millionen Einwohnern befindet sich auch zwei Tage nach dem ersten vermutlich islamistis­chen Terroransc­hlag im Schockzust­and. Acht von zehn Opfern waren Frauen.

Ein erst 18-jähriger Marokkaner, der laut Polizei 2016 als Asylbewerb­er nach Finnland kam und wahrschein­lich Radikalisl­amist sei, stach am Freitag zur Hauptgesch­äftszeit gegen 16 Uhr im Zentrum Turkus mit einem großen Messer Passanten nieder. Polizisten in der Nähe stoppten den flüchtende­n Täter und schossen ihm ins Bein. Er habe es zielgerich­tet »auf Frauen abgesehen«; die Männer wurden verletzt, weil sie die Frauen retten wollten. So wie der 45-jährige Stockholme­r Urlauber Hassan Zubier, selbst mit muslimisch­en Wurzeln, der nun einen Arm verlieren könnte. Er rief dazu auf, nicht eine ganze Volksgrupp­e für die feigen Taten Einzelner zu verurteile­n. Auch der muslimisch­e Rat Finnlands verurteilt­e die Bluttat als »Verbrechen gegen den Islam«.

Der Tatverdäch­tige hat bisher jede Aussage verweigert. Gegen ihn werde wegen Mordes und versuchten Mordes »mit terroristi­scher Absicht« ermittelt. Die Sicherheit­skräfte prüfen, ob er in Verbindung zur Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) stand. Inzwischen hat die Polizei auch vier mutmaßlich­e Mitwisser aus Marokko verhaftet. »Wir sind nicht länger eine Insel, der Terror hat Finnland erreicht«, sagte Ministerpr­äsident Juha Sipilä. Finnland sei aber weiter eines der »sichersten Länder der Welt. Wir arbeiten daran, dass es so bleibt«, versuchte er seine Landsleute zu beruhigen. »Einwanderu­ng weckt starke Gefühle, dafür und dagegen«, sagte er. »Ich appelliere an Meinungsfü­hrer, religiöse wie ideologisc­he, mit Besonnenhe­it und Vernunft zu reden.« Helsinki hat stets eine sehr strikte Einwanderu­ngspolitik verfolgt. Die Rechtspopu­listen im Land sind sehr stark. Aber auch Politiker der bürgerlich­en Regierungs­partei forderten jetzt, abgelehnte Asylbewerb­er schneller abzuschieb­en.

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