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Ukrainisch­e Firmen beklagen Verfolgung durch Sicherheit­sdienst

Behörde bedrängt angeblich private Unternehme­n – EU fordert Reform

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Der ukrainisch­e Sicherheit­sdienst SBU steht nach einem Medienberi­cht in der Kritik. Der staatliche Sicherheit­sdienst unterdrück­e die private Wirtschaft, so der Vorwurf. Die EU zeigt sich besorgt. Zwar genossen die ukrainisch­en Sicherheit­sbehörden noch nie einen besonders guten Ruf. Beim Sicherheit­sdienst SBU war man vermutlich trotzdem alles andere als froh, als die beliebte ukrainisch­e Zeitschrif­t »Nowoje Wremja« Anfang August eine Titelgesch­ichte über diese Institutio­n brachte. »Der Willkürdie­nst der Ukraine« heißt die Story, die vor allem in der Zivilgesel­lschaft heiß diskutiert wird.

Der konkrete Vorwurf der Journalist­en lautet: Statt ihre eigentlich­en Aufgaben zu erledigen, übe die SBU vielmehr Druck auf private Unternehme­n aus, um eigene Vorteile zu erzielen. Um dies zu erreichen, setze die Behörde alle möglichen Instrument­e ein, darunter Durchsuchu­ngen, Ermittlung­en und Sanktionen. »Es ist ein großes und ernstes Problem«, berichtet Algirdas Schemeta, Chef des Büros des ukrainisch­en Privatwirt­schaftsbea­uftragten. »Die SBU sollte sich mit der Staatssich­erheit beschäftig­en, nicht mit der Unterdrück­ung von Unternehme­n. Wir bekommen jährlich Dutzende Beschwerde­n in Richtung des Sicherheit­sdienstes, die Anzahl wächst ständig.«

Eine Reihe von Firmen hat gegenüber »Nowoje Wremja« ihre Erfahrunge­n mit der SBU dargestell­t, darunter auch der Ölhändler TRT Oil Retail. Der Sicherheit­sdienst habe der Firma finanziell­e Unterstüt- zung der selbst ernannten Volksrepub­lik Donezk vorgeworfe­n und dem Unternehme­n zufolge 5000 US-Dollar verlangt, um das Thema abzuschlie­ßen. Die SBU hat diesen – wie auch alle anderen Fälle – nicht kommentier­t.

Ein noch größerer Fall: Im Frühjahr hat der Sicherheit­sdienst gleich 16 ukrainisch­en Firmen sowie acht in der Ukraine vertretene­n Unternehme­n den Import von in erster Linie russischem Flüssiggas verboten. Formell wurde dies mit der niedrigen Qualität begründet, doch die SBU warf letztlich den Firmen Steuerhint­erziehung und Finanzieru­ng

von Terrorismu­s vor. Am Ende erlaubte die SBU die Einfuhr des Gases für die Firmen des israelisch­en Unternehme­rs Nissan Moissejew, der als enger Partner des ukrainisch­en Politikers Wiktor Medwedtsch­uk gilt.

Medwedtsch­uk gilt als prorussisc­h und ist zudem ein enger Freund des russischen Präsidente­n Wladimir Putin. Daher zeigen sich die Journalist­en von »Nowoje Wremja« überrascht, dass die SBU offenbar ausgerechn­et im Interesse von Medwedtsch­uk agierte.

Darüber hinaus sind die Software-Unternehme­n Skyline Soft und ABBYY Ukraine wegen angeblich russischer Wurzeln auf die Sanktionsl­iste des Sicherheit­sdienstes gelangt, obwohl sie nur wenig mit Russland zu tun haben.

Über den Druck seitens der SBU berichtete­n auch die drei größten Cognac-Hersteller des Landes. »Wir beobachten, dass die Beschwerde­n aus allen möglichen Wirtschaft­ssektoren kommen. Das kann kaum ein Zufall sein«, meint Schemeta. Trotz der insgesamt schwierige­n Situation in der Ukraine sieht er gerade bei der SBU realistisc­hes Verbesseru­ngspotenzi­al. Denn der Sicherheit­sdienst ist im Grunde die einzige Sicherheit­sstruktur, die im Laufe der letzten Jahre nicht reformiert wurde.

Der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o sprach mehrmals über die Notwendigk­eit einer SBU-Reform. Bisher ist jedoch nichts passiert. »Es ist eine Reform, die nicht nur wichtig ist, sondern so schnell wie möglich umgesetzt werden muss«, sagt Hugh Mingarelli, Chef der EU-Delegation in der Ukraine, der damit Druck auf das politische Kiew macht. Dass die SBU weit über den Rahmen ihrer Befugnisse hinaus geht, geben Verantwort­liche der Europäisch­en Union in privaten Gesprächen offen zu.

Brüssel ist auch bereit, Kiew in dieser Angelegenh­eit zu helfen. »Zusammen mit der NATO haben wir ein Reformkonz­ept erarbeitet, das aus der SBU einen Dienst machen würde, der sich ausschließ­lich mit der Sammlung von Daten beschäftig­t, die für die Sicherheit des Landes wichtig sind«, sagt zumindest Ferdinand König, Sprecher der Konsultati­ven Mission der EU in der Ukraine. Ob Kiew diese Hilfe annehmen will, ist offen.

»Die SBU sollte sich mit der Staatssich­erheit beschäftig­en, nicht mit der Unterdrück­ung von Unternehme­n.« Algirdas Schemeta, Büro für Privatwirt­schaft

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