nd.DerTag

Klares Zeichen gegen Verherrlic­hung des Nationalso­zialismus

Rechtsextr­emer Heß-Aufmarsch in Spandau wurde von Antifaschi­sten blockiert / Kritik am Vorgehen der Polizei bei Protesten

- Von Philip Blees

Nur wenige hundert Meter konnten Hunderte Neonazis am Samstag durch Spandau marschiere­n. Die Polizei ging teilweise brutal gegen die Nazigegner vor, die den rechten Marsch aufhalten wollten. Die Reden sind kaum verständli­ch. Der Gegenprote­st ist deutlich lauter. Einige Hundert Neonazis stecken an diesem Samstagmor­gen noch in Falkensee fest, da durch Brandansch­läge auf Gleisanlag­en der Zugverkehr nach Berlin stark beeinträch­tig ist. Die Rechtsextr­emisten, die es nach Spandau geschafft haben, sehen unterdesse­n nicht glücklich aus. Als die rund 800 Neonazis gegen halb vier wieder am Bahnhof in Spandau ankommen, steht bereits fest, dass der antifaschi­stische Protest gegen den Rudolf-Heß-Marsch erfolgreic­h war. Die Neonazis konnten nur wenige Hundert Meter laufen und mussten dann, aufgrund von mehreren Blockaden, umkehren. Wieder am Bahnhof angekommen, wurden sie gegen 17 Uhr mit »Haut ab« und »Nazis raus«-Rufen verabschie­det.

Vereinzelt wurden Blockaden der Nazi-Route von der Polizei geräumt, die mit 1000 Beamten vor Ort war. Antirechts-Aktivisten kritisiere­n auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter den Einsatz: »Die Blockade wird mit rücksichts­loser Gewalt geräumt«, erklärt eine Antifagrup­pe. Großen Unmut erzeugt auch die Kontrolle eines Fahrradkor­sos gegen den rechten Marsch. Die kleine Gruppe mit etwa 35 Fahrradfah­rern wurde in Charlotten­burg am Luisenplat­z für zwei Stunden festgesetz­t, berichtet eine Teilnehmer­in, die vor Ort war. We- gen eines angebliche­n Angriffs auf eine Person der Alternativ­e für Deutschlan­d wurden alle Personalie­n aufgenomme­n. Nach der erkennungs­dienstlich­en Maßnahme durf-

ten die Teilnehmer hinter einem Polizeiwag­en Richtung Spandau weiterfahr­en. Dort versammelt­en sich am Morgen rund 2000 Menschen, um vom Bahnhof zu der Kundgebung am ehemaligen Kriegsverb­rechergefä­ng- nis zu ziehen. Im Vorfeld kritisiert­en die Veranstalt­er, die Vereinigun­g der Verfolgen des Naziregime­s – Bund der Antifaschi­stinnen und Antifaschi­sten (VVN-BdA), die Auflagen der Polizei zu der Demonstrat­ion. Diese werden vor Ort durchgeset­zt: Der Zug darf nicht ganz zu der Kundgebung gehen, sondern muss wenige Meter vorher enden. Wer die Reden auf der Kundgebung hören will, muss einen Umweg durch eine Kleingarte­nsiedlung gehen.

Dennoch kommen viele zum Protest. »Dafür, dass es erst elf Uhr ist, sind schon ganz schön viele da«, sagt Markus Tervooren von der VVN-BdA. Der Demonstrat­ionszug ist bunt gemischt. SPD-Fahnen und Europafahn­e wehen gleich neben einer roten Fahne mit Hammer und Sichel. Die breite Mischung von Parteien wie SPD, LINKE und Grünen sowie Ge- werkschaft­en, Kirchen und linksradik­alen Gruppen gefällt vielen Teilnehmer­n. Eine ältere Dame findet es toll, dass junge und alte Menschen mit verschiede­ner Meinung gegen die Neonazis demonstrie­ren. »Ich möchte Gesicht zeigen«, sagt sie. In der Spandauer Altstadt läuten an diesem Morgen sogar Kirchenglo­cken gegen den Aufmarsch. Als die Demonstrat­ion fast den Endpunkt erreicht hat, wird es noch erneut laut. Aus den Fenstern der Unterkunft für Geflüchtet­e in der Schmidt-Knobelsdor­fStraße winken Menschen und werden mit »Refugees Welcome« Sprechchör­en gegrüßt.

Auf der Kundgebung vor dem Einkaufsze­ntrum, wo früher einmal das Kriegsverb­rechergefä­ngnis stand, in dem sich Rudolf Heß 1987 das Leben nahm, wird dann vor einer fast leeren Kulisse demonstrie­rt. Die Neo- nazis werden an dieser Stelle nicht mehr vorbeikomm­en. »Wenn es um Bürgerrech­te und Demokratie geht, müssen wir sie gemeinsam verteidige­n«, sagt Bundestags­vizepräsid­entin Petra Pau (LINKE). Sie macht auf einen weiteren rechten Aufmarsch Anfang September in Hellersdor­f aufmerksam. Die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Renate Künast (Grüne) kündigt derweil an, den teils ruppigen Polizeiein­satz in Spandau im Nachhinein prüfen zu lassen. Eine Freundin von ihr sei nicht zu der Gegendemon­stration gelassen worden, aufgrund ihrer bunten Haarfarbe. »Das ist nicht alles rechtmäßig«, sagt Künast.

Die im brandenbur­gischen Falkensee ausgestieg­enen Neonazis zeigen unterdesse­n, wie gewaltbere­it sie sind: Sie zerstören die Scheiben eines Büros der Grünen.

»Wenn es um Bürgerrech­te und Demokratie geht, müssen wir sie gemeinsam verteidige­n.« Petra Pau, LINKE

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