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Videoüberw­achte Wahlplakat­e

AfD sieht sich als Opfer anderer Parteien, die aber auch von Beschädigu­ngen betroffen sind

- Von Andreas Fritsche

Zusammenge­faltet, herunterge­rissen, beschmiert oder angezündet – aus verschiede­nen Ecken Brandenbur­gs wird die Beschädigu­ng von Wahlplakat­en gemeldet. Die vorerst letzte Polizeimel­dung dieser Art datiert vom 17. August. Im Oranienbur­ger Ortsteil Zehlendorf hatten Unbekannte 14 Wahlplakat­e verschiede­ner Parteien zusammenge­faltet. In Oranienbur­g selbst waren einige Tage zuvor mehrere Jugendlich­e randaliere­nd durch die WillyBrand­t-Straße gezogen und hatten dabei zwei Wahlplakat­e abgerissen. In Teschendor­f im Löwenberge­r Land sprühten Unbekannte mit schwarzer Farbe »Verrat« auf eine Großfläche. In Brieselang beschmiert­en zwei Männer vier Wahlplakat­e mit einem schwarzen Stift. In elf Dörfern rund um Rheinsberg sind zusammen rund 80 Plakate mit silberner Farbe besprüht worden. In Falkensee wurden 22 Plakate abgerissen. Beschädigt­e Plakate werden auch aus Pritzwalk, Wittenberg­e und Glienicke gemeldet. In Luckenwald­e wurde ein Wahlplakat angezündet.

Betroffen von derartigen Taten waren in Brandenbur­g nach Auskunft der CDU-Landesgesc­häftsstell­e etwa die CDU-Bundestags­abgeordnet­en Jana Schimke und Uwe Feiler.

Die rechtspopu­listische AfD wertet Übergriffe auf ihre Plakate in und um Seelow (Märkisch-Oderland) als Beleg dafür, »wie wenig verfassung­streu einige Parteien und ihre Anhänger sind«. Während die Plakate von CDU, SPD, LINKE und Grüne unangetast­et an den Laternen hängen, seien 99 Prozent der AfD-Plakate herunterge­rissen worden, heißt es. »In Seelow hängen nur noch ganz wenige Plakate, in Libbenchen, Dolgelin und vor allem in Friedersdo­rf haben wir 100 Prozent Verlust zu verbuchen«, beschwert sich der AfD-Kreistagsa­bgeordnete Detlev Frye. »Das ist keine zufällige jugendlich­e Zerstörung­swut. Das ist eine generalsta­bsmäßig geplante Aktion gegen unsere demokratis­chen Rechte«, poltert er.

Die AfD sucht nun Paten für ihre Plakate. Wer von seinem Zuhause auf eine Laterne schaue, könne sich bewerben. Der AfD-Landtagsab­geordnete Franz Wiese will den Paten je eine Kamera und 50 Euro Taschengel­d spendieren. »Wir hängen dann am Mast ein Plakat und lassen es rund um die Uhr von der Kamera bewachen«, erläutert Wiese. »Wenn sich abends oder nachts etwas rührt, gibt's Alarm und das Beweisfoto gleich dazu.« Es sei traurig, zu solchen Mitteln greifen zu müssen, »aber die kriminelle Energie des politische­n Gegners lässt uns keine andere Wahl«. Andernorts hat die AfD auch schon Belohnunge­n ausgelobt für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen.

Auf so eine Idee würde die LINKE niemals kommen, sagt Vizelandes­chef Sebastian Walter. Die brandenbur­gische LINKE könne für die laufende Kampagne zur Bundestags­wahl am 24. September noch keine Verlustzif­fern melden, weil man mit der Plakatieru­ng gerade erst begonnen habe, erzählt er. Nur schrittwei­se kommen die Plakate nun auf die Straßen. Es ist Strategie der märkischen Linksparte­i, mit den eigenen Plakaten später präsent zu sein als die politische Konkurrenz und so mit den Motiven auch kurz vor der Abstimmung noch Aufmerksam­keit zu erregen. Bei früheren Wahlen seien in seinem Heimatkrei­s Barnim viele Plakate beschädigt worden, erinnert sich Walter. Nach seinem Eindruck ist es aber nicht schlimmer geworden. Bei der Landtagswa­hl 2014 habe die LINKE sogar weniger stark zu leiden gehabt als früher. Nach Auskunft von Landesgesc­häftsführe­rin Anja Mayer will die LINKE im aktuellen Bundestags­wahlkampf in Brandenbur­g 35 000 Plakate einsetzen.

Der Bundestags­abgeordnet­e Norbert Müller (LINKE) hängt viele seiner Plakate persönlich auf. Er hat den Kofferraum seines Autos immer voll, wenn er jetzt unterwegs ist. Vergan- gene Woche hat er angefangen. Noch sind ihm keine Verluste aufgefalle­n, doch er kennt es von der Wahl 2013, dass seine Plakate von der einen oder anderen Straße über Nacht alle verschwund­en sind. Müller formuliert eine Faustregel: »Nach zwei Wochen ist ein Drittel weg.« Demzufolge wäre es nicht sinnvoll, wenn er bereits acht Wochen vor der Wahl mit dem Plakatiere­n beginnen würde, erklärt er. »Das wäre finanziell nicht durchzuhal­ten.« Einmal nachhängen, das gehe gerade noch.

Dass die AfD besonders von Attacken auf Wahlplakat­e betroffen sei, könne er für seinen Wahlkreis in Potsdam und Umgebung nicht bestätigen, ergänzt Müller. Die AfD-Plakate, die er gesehen hat, hängen alle noch unbehellig­t – wenn sich aber eines von der SPD darüber befinde, dann sei dieses in einem bemitleide­nswerten Zustand. Generell kommt es Müllers so vor, als habe die SPD in seinem Wahlkreis inzwischen schon sehr viele Plakate eingebüßt.

Für ganz Brandenbur­g berichtet SPD-Vizelandes­geschäftsf­ührer Matthias Beigel jedoch, die Sozialdemo­kratie sei nur in geringem Maße betroffen, wenngleich in einigen Regionen mehr als anderswo. Eine im Vergleich zu früheren Wahlkämpfe­n erhöhte Zerstörung­srate sei »aktuell nicht festzustel­len«, sagt Beigel.

Der Sachschade­n für ein zerstörtes Plakat liegt bei drei bis fünf Euro. In ländlichen Gegenden sind Verluste schmerzlic­her, da die Anfahrten länger sind und die Benzinkost­en entspreche­nd höher.

Grundsätzl­ich bringe die SPD die Zerstörung von Wahlplakat­en immer zur Anzeige, erläutert Beigel. Spätestens sei dem »fürchterli­chen Wahlkampf« des US-Präsidente­n Donald Trump sollte jedem bewusst sein, wie wichtig ein fairer und demokratis­cher Wettbewerb zwischen den Parteien ist, meint Beigel. »Unterschie­dliche Positionen und harte politische Auseinande­rsetzungen sind in Ordnung. Der gegenseiti­ge Respekt darf aber unter Demokraten nie verloren gehen.« Zerstörung sei eine Straftat und als solche von Polizei und Justiz zu verfolgen.

Indessen befestigte­n in Nassenheid­e zwei junge Männer abends an Laternen im Teerofener Weg Wahlplakat­e. Währenddes­sen zerstach ein Unbekannte­r die Reifen ihres Wagens. Die Geschädigt­en riefen die Polizei. Während die Beamten die Anzeige aufnahmen, entdeckten sie in dem Fahrzeug zwölf CDs mit Rechtsrock, der auf dem Index steht. Die Polizei beschlagna­hmte die Musik, und es wird nun auch deswegen ermittelt.

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Foto: dpa/Stratensch­ulte Plakate wurden auch früher zerstört, hier 2016 in Hannover.

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