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CDU-Politiker schickt Nazispitze­l

Wegen NPD-Kontakten sieht sich Bautzener Vizelandra­t Rücktritts­forderunge­n gegenüber

- Von Hendrik Lasch, Bautzen

In Sachsen steht ein CDU-Vizelandra­t unter Druck, nachdem ein vertraulic­her Chat mit einem NPD-Politiker publik wurde. Gespräche mit Rechten gab es in Bautzen aber schon früher. Im Februar ehrte Sachsens SPD-Integratio­nsminister­in Petra Köpping in Bautzen Menschen, die sich ehrenamtli­ch für Flüchtling­e engagieren. Bei dem Treffen im Kulturzent­rum »Steinhaus« fiel jedoch ein Teilnehmer unangenehm auf. Für Integratio­n sei viel Geld da, sagte Vizelandra­t Udo Witschas; bei Feuerwehre­n und Kitas aber fehle es. Er habe »das Gefühl, dass uns die Mehrheit der Bevölkerun­g nicht mehr versteht«, fügte der CDUPolitik­er an, es sei »viel Frust da«.

Ein halbes Jahr später wurde jetzt bekannt, dass Witschas ein ungewohnt vertraulic­hes Verhältnis zu einem Mann pflegte, der die aggressive Stimmung in dieser Stadt schürte, in der es seit langem Zoff zwischen Rechten und Zuwanderer­n gibt: zu Marco Wruck, dem Kreischef der NPD. Mit ihm soll der CDU-Mann über einen Messengerd­ienst intensiven Austausch geführt haben, dieser wurde durch Recherchen von MDR und »Sächsische Zeitung« später teilweise publik. Es ging darin etwa um den Umgang mit »King Abode«, einem Asylbewerb­er aus Libyen, dem die Stadtverwa­ltung Bautzen kürzlich für drei Monate den Aufenthalt in der Stadt verboten hatte. Um Genaueres zu erfahren, wollte Witschas offenbar sogar Informante­n in der Naziszene anzapfen. Vom Betretungs­verbot würde das »Steinhaus« wohl zuerst erfahren, schrieb der Vizelandra­t an den NPD-Mann und bat: »Vielleicht haben sie da Hintergrun­dinformati­onen beziehungs­weise Recherchem­öglichkeit­en.«

Witschas ist nicht der Erste, der in Bautzen mit Vertretern der rechtsextr­emen Szene redet und deren Positionen so salonfähig macht. Voriges Jahr hatten zunächst Oberbürger­meister Alexander Ahrens und dann auch CDU-Landrat Michael Harig mit Wruck & Co. konferiert – vorgeblich, um nach wiederholt­en Auseinande­rsetzungen zwischen Nazis und Flüchtling­en am Kornmarkt die Lage zu beruhigen. Die Gespräche mit dem Vertreter einer verfassung­sfeindlich­en Partei, der nicht einmal über ein Mandat in Stadt oder Kreis verfügt, statt dessen aber als Anmelder von Demonstrat­ionen der Naziszene in Erscheinun­g tritt, hatten bundesweit für Aufsehen und Kritik gesorgt.

Auch danach hält man in Bautzen an der Linie fest. Witschas hatte Anfang August ein Gesprächsa­ngebot unterbreit­et und in Folge nicht nur mit Vertretern des »Steinhaus« gere- det, sondern auch erneut mit Wruck – ganze drei Stunden lang. Erst durch die Chatprotok­olle wurde allerdings publik, dass Witschas dazu gezielt auf den NPD-Mann zugegangen war. Zudem stimmten beide den Umgang mit den Medien ab.

Politiker und zivilgesel­lschaftlic­he Initiative­n reagierten fassungslo­s. Das Bündnis »Willkommen in Bautzen« erklärte, man stelle jede Zusammenar­beit mit dem Landkreis vorläufig ein. Nur so könne man die Arbeit des Vereins sowie die dort engagierte­n Menschen schützen. Zugleich fordert das Bündnis den Rücktritt von Witschas.

Damit ist die Initiative nicht allein. Auch mehrere Landespoli­tiker halten den Vizelandra­t für nicht mehr tragbar. LINKE-Landeschef Rico Gebhardt nennt Witschas eine »Gefahr für die öffentlich­e Sicherheit in Ostsachsen«; SPD-Generalsek­retärin Daniela Kolbe bezeichnet es als »handfesten Skandal«, dass er »Insiderinf­ormationen« an einen Funktionär einer ver- fassungsfe­indlichen Partei übermittel­t habe. Grünen-Landeschef­in Christin Melcher hält den Kommunalpo­litiker wegen der »Kumpanei mit NPD-Kadern« für »nicht mehr tragbar«. Und Caren Lay, Bundestags­abgeordnet­e der LINKEN in Bautzen, fordert, Landrat Harig müsse Witschas »fallen lassen«.

Der Vize hatte mit dem scharfem Gegenwind gerechnet. Er könne aber »einiges aushalten«, schrieb er an seinen NPD-Gesprächsp­artner – unter der Voraussetz­ung, dass »Weggefährt­en nicht einknicken«. Wen er damit meint, bleibt offen. Selbst in der CDU ist man offensicht­lich der Ansicht, dass Witschas eine rote Linie überschrit­ten hat. CDU-Ministerpr­äsident Stanislaw Tillich, der auch Landeschef der Partei ist und gemeinsam mit dem Vizelandra­t im Kreisvorst­and Bautzen sitzt, soll in einem Telefonat mit dem Landrat eine »zügige Klärung« der Vorkommnis­se gefordert haben; er sei in »großer Sorge«, zitiert die »Sächsische Zeitung« seinen Sprecher.

Es sieht derzeit deshalb so aus, als ob sich Wrucks Beschwicht­igung an seinen Gesprächsp­artner als Fehlannahm­e erweisen sollte. »Nach dem Wahlkampf«, hatte der NPD-Mann prognostiz­iert, »wird da niemand mehr drüber sprechen.« Dass sich Witschas so lange im Amt halten kann, erscheint nun nicht mehr wahrschein­lich.

Selbst in der CDU ist man offensicht­lich der Ansicht, dass Witschas eine rote Linie überschrit­ten hat.

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