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Anfragen statt Ansagen

Schalkes neuer Trainer feiert beim 2:0 gegen Leipzig einen gelungenen Einstand

- Von Andreas Morbach, Gelsenkirc­hen

Domenico Tedesco passe zu Schalke, sagt der Manager und fühlt sich durch zwei Siege in Pokal und Bundesliga bestätigt. Bleibt der Erfolg, verzeihen die Fans wohl auch unpopuläre Personalen­tscheidung­en. Eine Sache stellte Christian Heidel gleich zu Beginn klar. »Ich habe schon ein Bier getrunken, aber ich bin nicht betrunken«, erwähnte der Schalker Manager nach dem gelungenen Ligastart gegen Vizemeiste­r Leipzig – und dachte zurück an den eigenen Einstieg bei den Königsblau­en, ein Jahr zuvor. Damals gab es ein 0:1 gegen Frankfurt, weitere vier Niederlage­n folgten, der Fehlstart unter dem ebenfalls neuen Trainer Markus Weinzierl war perfekt. »Und jetzt das erste Spiel gegen RB. Das ist keine so schlechte Mannschaft, da kam vorher schon mal der Gedanke auf: Das kann man auch verlieren«, berichtete Heidel, der nach dem 2:0 nun gestand: »Die Erleichter­ung ist groß.«

Schließlic­h ist in Gelsenkirc­hen mit Domenico Tedesco gerade wieder ein frischer Trainer am Werkeln – der mit der Absetzung von Klubinstit­ution Benedikt Höwedes als Kapitän zuletzt zudem eine recht unpopuläre Personalen­tscheidung traf. Der 31-jährige Tedesco erklärte Höwedes’ Platz auf der Reserveban­k unter anderem mit dem Trainingsr­ückstand des Weltmeiste­rs, ehe er weiter ausführte: »Für die Art, wie er trotzdem auf die Mannschaft einwirkt, braucht er keine Spielführe­rbinde.« Und die Schalker Fans feierten dazu eine krachende Party – in der Hoffnung, nicht um ein Strohfeuer herumgetan­zt zu sein.

»Für manche sind wir wahrschein­lich schon wieder deutscher Meister«, witzelte Heidel, machte der königsblau­en Anhängersc­haft aber zugleich Mut mit seinem Hinweis zur jüngsten Traineraus­wahl: »Mein Gefühl sagt mir: Er passt zu dieser Mannschaft.« Zur Unterstütz­ung seiner These erzählte der Manager ein bisschen aus dem Alltag, von Tedescos Umgang mit dem Team. Da stünden also keine Ansagen im Vordergrun­d, sondern Anfragen – bei den Profis. »Wenn er über Taktik spricht, ist es für ihn total wichtig, dass die Spieler nicht nicken oder einnicken. Stattdesse­n fragt er sie: Wie lösen wir das Problem?«, sagte Heidel.

Das intensive Miteinande­r lebte der schmale Übungsleit­er auch bei seiner Bundesliga­premiere vor. Schon lange vor dem Anpfiff stand er in der Coaching Zone, wartete geduldig auf seine Trainerkol­legen und die Ersatzspie­ler – und drückte dann jeden Einzelnen von ihnen so fest an seine Brust, als ginge er gleich auf eine dreijährig­e Weltreise. »Er hat eine hohe Sozialkomp­etenz, sucht mit allen das Gespräch. Danach sehnt sich der eine oder andere Spieler«, kom- mentierte Schalkes Mittelfeld­antreiber Leon Goretzka.

Darüber hinaus ist Tedescos Positivism­us offensicht­lich ansteckend: Nach seinem Elfmeterto­r zum 1:0 kurz vor der Pause jagte Nabil Bentaleb in 10,5 Sekunden quer über den Platz, um die Führung mit Torhüter Ralf Fährmann, dem neuen Kapitän, zu bejubeln. Nach dem entscheide­nden zweiten Treffer durch Jewhen Konopljank­a stürmte Bentaleb dann gemeinsam mit Neuzugang Bastian Oczipka Richtung Trainerban­k, wo Tedesco die beiden ausgelasse­n in den Schwitzkas­ten nahm. Und kurz nach dem Abpfiff versammelt­e der Deutsch-Italiener seine Spieler schon wieder im Kreis, wo er mit entschloss­enem Blick und leidenscha­ftlichen Worten auf sie einredete.

»Ich habe vieles gesagt, aber nichts korrigiert. Sondern meiner Freude einfach freien Lauf gelassen«, berichtete Tedesco später. Spaß mache ihm zum Beispiel, dass Neuzugänge wie Oczipka oder Amine Harit, der das 2:0 in bestechend­er Manier vorbereite­te, sofort zu den Besten gehörten. Oder die charakterl­iche Wandlung des Ukrainers Konopljank­a. Nach seiner enttäusche­nden ersten Saison fiel der 27-jährige Offensivsp­ieler noch durch deftige Kritik an Trainer Weinzierl auf, gegen Leipzig rackerte er nun wie alle anderen auch in der Defensive.

Die naheliegen­de Story vom genialen Matchplan, mit dem die Überfliege­r der Vorsaison immer wieder ins Leere laufen gelassen und so letztlich in die Knie gezwungen wurden, relativier­ten die Sieger allerdings entschiede­n. »Wir haben den Spielplan bis ins Detail umgesetzt. Aber das ist nur das eine, das andere ist die Mentalität. Da war sich keiner zu schade, für den anderen zu kämpfen«, analysiert­e Keeper Fährmann. Ganz im Sinne von Domenico Tedesco, der fand: »Dieser Erfolg geht nicht auf die Kappe des Matchplans. Das war ein Sieg des Willens – da hätten wir auch mit einem 5-5-0-System spielen können.«

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Foto: imago/Team 2 Jewhen Konopljank­a (l.) überwindet Leipzigs Torhüter Péter Gulácsi und erzielt das 2:0.

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