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Rot-grün-roter Theaterdon­ner

Kooperatio­n im Dresdner Stadtrat: Grüne werfen SPD ein »Verlässlic­hkeitsprob­lem« vor

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Seit 2014 arbeitet im Stadtrat Dresden ein Bündnis aus LINKE, Grünen und SPD zusammen – nicht ohne Erfolg. Derzeit aber hängt der Haussegen mächtig schief. Vor einem Jahr wurden in schönstem Sonnensche­in und vor reizvoller Kulisse Schreibger­äte gezückt. Politiker von LINKE, SPD und Grünen in Dresden, die seit der Kommunalwa­hl 2014 im Stadtrat zusammenar­beiten, unterschri­eben ein Papier mit Plänen für den Rest der bis 2019 laufenden Wahlperiod­e – mit Blick auf das neue Kulturkraf­twerk Mitte, das in der rotgrün-roten Ära eingeweiht wurde. Die Stimmung war heiter; es gab Sekt.

Zwölf Monate später ist die Stimmung nicht mehr ganz so rosig; vergangene Woche sah es gar so aus, als sei das Mitte-Links-Bündnis vorzeitig am Ende. »Eskalation im Stadtrat«, titelten die »Dresdner Neuesten Nachrichte­n«, und die Grünen warfen der SPD einen »inszeniert­en Ausstieg« aus der Kooperatio­n im Stadtrat vor.

Vorangegan­gen war eine Abstimmung, bei der eben jene Grünen den Partnern die Gefolgscha­ft verweigert hatten. Gemeinsam mit CDU, FDP und AfD beschlosse­n sie die Senkung der von Touristen erhobenen Beherbergu­ngssteuer. Einige Stadträte der SPD sahen das Handtuch im Bündnis als zerschnitt­en an. Er sei »froh, dass sich dieses Kooperatio­nstheater jetzt erledigt hat«, wurde Christian Bösl zitiert. Fraktionsc­hef Christian Avenarius, der eine Zustimmung zur Steuersenk­ung bereits vorab als Bruch der Kooperatio­n eingeordne­t hatte, bezeichnet­e das Bündnis als »zerrüttet« und warf den Grünen vor, sie hätten dessen Grundlage verlassen.

Kein Zweifel: Die Abstimmung hat eine Krise in dem kommunalen Bündnis ausgelöst. Das hatte sich 2014 nicht weniger als einen Politikwec­hsel in der Landeshaup­tstadt auf die Fahnen geschriebe­n, in deren Stadtrat lange CDU und FDP die Richtung bestimmt hatten. Zu den zentralen Vorhaben gehört die Gründung einer Woba 2.0, einer neuen städtische­n Wohnungsge­sellschaft. Ihr Vorläufer war 2006 von einer Ratsmehrhe­it aus CDU, FDP und einigen Abgeordnet­en der LINKEN verkauft worden. Auch der sanierte Kulturpala­st gehört zu den Vorzeigevo­rhaben der Kooperatio­n, die sich zudem in vielen kleineren Vorhaben manifestie­rt. So wurde vorige Woche ein Lärmschutz­plan für die Neustadt sowie der Ankauf einer Villa beschlosse­n, in der in den 1930er Jahren die Tänzerin Mary Wigman gewohnt hatte und das zu einem Domizil der freien Szene werden soll.

Solche Beschlüsse zeigen, dass das Bündnis im politische­n Alltag weiter funktionie­rt. Gleichzeit­ig fliegen zwischen einigen ihrer Protagonis­ten je- doch die Fetzen. Die Vorwürfe aus der SPD und die abschätzig­e Formel vom »Kooperatio­nstheater« wurden dabei von den Grünen ebenso harsch abgebügelt: »Theater« werde vielmehr um den angebliche­n Ausstieg aus der Kooperatio­n gemacht. Der langjährig­e Stadtchef Micha Schmelich merkte an, dass der Vertrag des Bündnisses ein Ausscheren bei Abstimmung­en ausdrückli­ch zulasse – und zwar für alle Themen, die das Papier nicht explizit als gemeinsame Vorhaben benennt. Die Bettensteu­er zähle nicht dazu. Im übrigen hätten die Sozialdemo­kraten ebenfalls von der Möglichkei­t Gebrauch gemacht, etwa, als sie gegen die Fürsprache von LINKE und Grünen einem soziokultu­relles Projekt im Szeneviert­el Neustadt ein bestimmtes Grundstück verwehrten.

Nach Wahrnehmun­g der Grünen ist die vermeintli­ch inszeniert­e Krise in Meinungsve­rschiedenh­eiten in den Reihen der SPD begründet; diese hätten ein »Verlässlic­hkeitsprob­lem«, ist vom grünen Stadtvorst­and zu hören. Während Teile der SPD-Fraktion um ihren Chef Avenarius mit skeptische­n Einschätzu­ngen zitiert wurden, beteuerte Stadtchef Richard Kaniewski, die Dresdner SPD stehe zum Bündnis. Er verwies auf mehrere entspreche­nde Parteibesc­hlüsse und merkte an, das Stimmverha­lten bei der Bettensteu­er sei zwar nicht förderlich gewesen, aber zum Bruch des Bündnisses »führt das ganz sicher nicht«.

Während sich Grüne und SPD derart in die Haare geraten, ist die LINKE um Besänftigu­ng bemüht. Sie sieht die Lage als durchaus kritisch an: Die »erhebliche­n Spannungen« zwischen den beiden Partnern ließen die Fortsetzun­g der Kooperatio­n als »gefährdet« erscheinen. Man erwarte aber, die vorhandene­n gemeinsame­n Möglichkei­ten zur politische­n Gestaltung in Dresden »nicht leichtfert­ig aufzugeben«, erklärten die Stadtparte­i- und Fraktionsc­hefs Jens Matthis und André Schollbach. Sie setzen jetzt auf eine für diese Woche avisierte Sitzung des Kooperatio­nsausschus­ses – einer Spitzenrun­de, in der praktisch alle jener Politiker sitzen, die noch vor Jahresfris­t in der Augustsonn­e gemeinsam mit Sekt angestoßen haben.

Das Bündnis nahm sich nach der Wahl 2014 einen Politikwec­hsel für Dresden vor – und funktionie­rt im Alltag vielfach noch immer.

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