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»Braunkohle­abbau ist eine Form von Gewalt«

Die Gruppe »Zucker im Tank« protestier­t im Rheinland gegen die klimaschäd­liche Form der Energiegew­innung

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Lara, die nicht mit vollem Namen genannt werden will, ist Aktivistin bei »Zucker im Tank« und seit einigen Jahren in der Klimagerec­htigkeitsb­ewegung aktiv. Im Gegensatz zu »Ende Gelände« schließt ihre Gruppe »Zucker im Tank« Eskalation­en bei den Klimaprote­sten im Rheinland nicht aus. Mit Lara sprach Friederike Meier.

Das Bündnis »Ende Gelände« erwartet rund 6000 Teilnehmer zu seiner Aktion des massenhaft­en zivilen Ungehorsam­s im Rheinland. Was unterschei­det Sie vom Bündnis? »Ende Gelände« ist eine Massenakti­on, die von vielen Menschen organisier­t wird. Mehrere Tausend Menschen werden teilnehmen. Wir mobilisier­en eher Leute, die sich in Kleingrupp­en organisier­en und die Aktionen nach ihren Vorstellun­gen gestalten. Wir unterstütz­en, indem wir möglichst viel Wissen sammeln und zur Verfügung stellen. Ist Ihr Name »Zucker im Tank« als Aufruf zur Sabotage zu verstehen? Wir rufen nicht zu konkreten Aktionsfor­men auf, sondern zur Selbstorga­nisation. Wir wünschen uns, dass Menschen ihre eigenen Aktionen nach ihren Vorstellun­gen planen und durchführe­n. Das heißt, wir haben selbst keinen Überblick über die geplanten Aktionen.

Unterschei­den Sie sich auch inhaltlich von »Ende Gelände«?

Was die Ziele angeht, unterschei­den wir uns nicht wesentlich. Wir versuchen klarzumach­en, dass der Klimawande­l nicht nur ein Problem hier vor Ort ist, sondern ein globales Problem. Für uns ist der Kampf gegen den Klimawande­l auch ein feministis­cher und antirassis­tischer Kampf. Dadurch, dass vor allem die Leute vom Klimawande­l betroffen sind, die ihn am wenigsten verursache­n, wird der Kampf dagegen auch ein herrschaft­skritische­r.

Was fordern Sie im Bezug auf die Braunkohle? Es ist auf jeden Fall wichtig, dass ein sofortiger Braunkohle­ausstieg stattfinde­t. Dazu braucht es einen Strukturwa­ndel. Wir fordern, dass zum Beispiel die Struktur hier vor Ort im Rheinland so verändert wird, dass Menschen ihre Arbeitsplä­tze nicht verlieren.

Das Bündnis »Ende Gelände« hat sich einen Aktionskon­sens gegeben, in dem es Eskalation­en seinerseit­s ausschließ­t. Sie lehnen dies ausdrückli­ch ab. Warum?

Wir setzen darauf, dass Menschen ihre Aktionen eigenständ­ig planen, nach ihren Vorstellun­gen und Bedürfniss­en. Deshalb setzen wir keinen Aktionskon­sens. Die Menschen müssen selbst entscheide­n, wie sie ihre Aktionen planen und was ihnen wichtig dabei ist.

Sie schreiben auch, dass Sie nicht festlegen können, was Gewalt ist. Warum nicht?

Wir sehen andere Formen von Gewalt als die, die in der bürgerlich­en Presse meistens genannt werden. Wir gehen nicht nur von eskalative­r Gewalt aus, wir haben einen weiter gefassten Gewaltbegr­iff. Wir sehen zum Beispiel die strukturel­le Gewalt, die durch den Abbau von Braunkohle und den dadurch vorangetri­ebenen Klimawande­l entsteht. Es findet jeden Tag Gewalt statt, auch durch die Zerstörung der Landschaft­en hier und der Lebensgeme­inschaften vor Ort. Auch Überschwem­mungen und Hitzewelle­n sind für uns Formen von Gewalt. Deswegen können wir das nicht genau definieren.

Gewalt ist also etwas Negatives für Sie. Grenzen Sie sich von ihr ab? Für uns ist die Form der Herrschaft, die durch den Braunkohle­abbau ausgeübt wird, eine Form von Gewalt. Die Umsiedlung wird beispielsw­eise über die Köpfe der Betroffene­n hinweg entschiede­n. Dagegen stehen wir auf und leisten Widerstand.

Das heißt also, Sie erlauben den Teilnehmer­n Ihrer Aktion, selber zu definieren, was sie für Gewalt halten?

Oder was sie als legitim ansehen oder nicht. Wir erlauben gar nichts, weil die Menschen selbst entscheide­n.

Es könnte also sein, dass die Aktionstei­lnehmer Polizei oder Sicherheit­sdienste angreifen?

Das gesamte Thema wird leider oft auf diesen Aspekt reduziert. Es gibt viele verschiede­ne Formen von Widerstand. Wie sich die Aktivisten verhalten, entscheide­n sie selber und verantwort­en sie auch selbst.

Haben Sie nicht Angst, dass in den Medien nachher Berichte über eventuelle Gewalt im Vordergrun­d stehen und die eigentlich­e Botschaft untergeht?

Die meisten Aktionsgru­ppen schreiben Pressemitt­eilungen und äußern sich zu ihren Aktionen in der Hoffnung, dass die Presse auch die Inhalte benennt und nicht nur ein wiedergeka­utes Bild von Gewalttate­n weitergibt.

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