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Niedrigloh­n verdirbt die Rente

Der DGB Sachsen-Anhalt warnt in einer Studie vor gravierend­er Altersarmu­t

- Von Hendrik Lasch, Magdeburg

Sachsen-Anhalt gilt als Land niedriger Löhne; auch Teilzeit ist verbreitet. Der DGB warnt vor Folgen für die Rentenhöhe. Schon jetzt sind viele nach dem Arbeitsleb­en von Armut gefährdet. Auf dem Papier gibt es zunächst einmal ein Plus. Ein Mann, der in Sachsen-Anhalt im Jahr 2015 in Rente ging, durfte mit monatliche­n Bezügen von durchschni­ttlich 1115 Euro rechnen – 81 Euro mehr, als man 15 Jahre zuvor am Ende des Arbeitsleb­ens erwarten durfte. Leisten allerdings konnte er sich für das Geld viel weniger. Der Kaufkraftv­erlust habe 26 Prozent betragen, geht aus einem »Rentenrepo­rt« des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) für das Bundesland hervor – was rechne- risch einem Minus von 187 Euro entspreche.

Das Auskommen künftiger Rentner wird freilich nicht nur durch steigende Mieten, Heizkosten oder Preise für Lebensmitt­el geschmäler­t; vielmehr werden viele von vornherein deutlich weniger Rente erhalten als heutige Senioren. »Ein Großteil der neuen Altersrent­ner ist von Armut gefährdet«, sagt Susanne Wiedemeyer, Landeschef­in des DGB in Sachsen-Anhalt. Schon jetzt erhielten 43 Prozent der Männer und zwei von drei Frauen nur bis zu 900 Euro aus der gesetzlich­en Rentenvers­icherung. Die Armutsgefä­hrdungssch­welle liegt bei 942 Euro. Aus der gesetzlich­en Rentenkass­e kommen im Osten 97 Prozent der Altersbezü­ge, im Westen nur drei Viertel. Dort spielen auch Betriebsre­nten und Beamtenpen­sionen eine wichtige Rolle.

Dass Rentner zunehmend mit niedrigere­n Renten und nicht selten auch mit Armut rechnen müssen, hat mehrere Gründe, darunter niedrige Löhne, die in Sachsen-Anhalt nach Angaben Wiedemeyer­s verbreitet sind. So erhalte jeder dritte Beschäftig­te nur den Mindestloh­n. Nahezu ein Viertel der Werktätige­n arbeitet zudem Teilzeit. Auch wiederholt­e Brüche in den Erwerbsbio­grafien und die Absenkung des Rentennive­aus spielten eine Rolle. Letzteres lag im Jahr 1990 noch bei 55 Prozent der durchschni­ttlichen Einkommen, beträgt heute 47,6 Prozent und wird weiter abgesenkt.

Fatal wirken sich zudem ein vorzeitige­r Eintritt in die Rente und die gleichzeit­ige Anhebung des gesetzlich­en Rentenalte­rs aus. Derzeit gehen Männer in Sachsen-Anhalt im Durchschni­tt mit 63,6 Jahren in Rente, Frauen mit 63,4. Das Eintrittsa­lter liegt damit 1,8 Jahre höher als 2005. Allerdings arbeiten nur Wiedemeyer appelliert, verstärkt Arbeitsplä­tze zu schaffen, auf denen Menschen tatsächlic­h bis 67 Jahre arbeiten können – was derzeit schwer sei, »nicht nur für Dachdecker, sondern auch für Lehrer und andere«. die wenigsten wirklich bis zum offizielle­n Rentenalte­r: Von den 64Jährigen geht der Studie des DGB zufolge nur noch jeder Zehnte einem Vollzeitjo­b nach; noch einmal etwa halb so viele arbeiten Teilzeit. Wiedemeyer appelliert an Arbeitgebe­r, verstärkt Arbeitsplä­tze zu schaffen, auf denen Menschen tatsächlic­h bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten können – was derzeit schwer sei, »nicht nur für Dachdecker, sondern auch für Lehrer und andere«. Die Landeschef­in geht indes davon aus, dass dies gar nicht Anliegen der Rente mit 67 sei: »Wir haben die große Befürchtun­g, dass es sich um ein reines Rentenkürz­ungsprogra­mm handelt, und nichts anderes«, sagt sie.

Wirklich neu ist diese Einschätzu­ng nicht, und auch die Erkenntnis­se zur Entwicklun­g der Renten hätten sie nicht völlig überrascht, räumt Wiedemeyer ein: »Wir warnen vor Altersarmu­t ja schon seit zehn Jahren.« Allerdings ist der Zeitpunkt für die Veröffentl­ichung der Studie, die es in dieser Form nach Angaben des DGB nur in SachsenAnh­alt gibt, nicht zufällig gewählt. Rentner sind Wähler – und zwischen Altmark und Burgenland fallen ihre Stimmen besonders ins Gewicht: Ihr Anteil an der Wählerscha­ft liegt bei der anstehende­n Bundestags­wahl bei 30 Prozent. »Das Thema wird mit wahlentsch­eidend«, glaubt die DGB-Chefin. Sie betont, dass sich die meisten Parteien zur Zukunft der Rente äußern: »Nur die CDU verweigert sich und setzt auf eine Kommission.« So aber gehe wertvolle Zeit verloren, um auf die Besorgnis erregende Entwicklun­g zu reagieren. »Es muss jetzt schnell gehen«, sagt Wiedemeyer, »noch einmal zehn Jahre zu warten, können wir uns nicht leisten.«

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