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Richtung Pleite

Auf der Hansalinie fließt zu wenig Lkw-Maut Investoren wollen 640 Millionen Euro einklagen

- Von Hagen Jung

Zu wenig Lkw-Maut fließt auf der von privater und öffentlich­er Hand gemeinsam gebauten Autobahn zwischen Hamburg und Bremen. Die Betreiber des A1-Teilstücks, denen die Pleite droht, wollen 640 Millionen Euro vom Bund einklagen. Eine fröhliche Miene und durchweg optimistis­che Töne war man gewohnt, wenn Jörg Bode (FDP) in seiner Zeit als Niedersach­sens Verkehrsmi­nister irgendetwa­s aus seinem Amtsbereic­h übergab, einweihte oder betrachtet­e. So bejubelte er einst den Wilhelmsha­vener Tiefseehaf­en JadeWeser-Port trotz dessen Pleiten und Pannen als »eine wahre Freude«. Zurückhalt­ender aber gab sich Bode, als er am 11. Oktober 2012 das in privat-öffentlich­er Partnersch­aft gebaute Teilstück der A1 zwischen Hamburg und Bremen freigab.

Zwar lobte Bode die relativ kurze Bauzeit von vier Jahren, in denen neben der sechsspuri­gen 70 Kilometer langen Strecke acht Anschlusss­tellen sowie achtzehn Park- und Rastanlage­n entstanden waren. Aber ob es richtig war, das »Hansalinie« genannte Teilstück in Öffentlich-PrivaterPa­rtnerschaf­t (ÖPP) zu bauen, das werde sich erst in der Zukunft erweisen.

Ein bisschen Zweifel klang da heraus, und wohl zu Recht. Steht doch A1 Mobil, das Betreiberk­onsortium der Strecke, nach Informatio­nen der »Süddeutsch­en Zeitung« kurz vor der Pleite. Drei Firmen hatten seinerzeit die Baugemeins­chaft gebildet und in das Vorhaben über eine halbe Milliarde Euro investiert: Der Baukonzern Bilfinger Berger, ein britischer Finanzinve­stor und das Bauunterne­hmen Bunte aus Papenburg im Emsland.

Ihr Zusammensc­hluss muss sich um den Unterhalt der Hansalinie kümmern, das verschling­t eine Menge Geld. Dennoch sah das Konsortium jenen Aufgaben offensicht­lich gelassen entgegen, winkte doch eine sicher scheinende Einnahmequ­elle: die Maut! Dreißig Jahre lang sollten die Investoren als Gegenleist­ung für die Betreuung des Verkehrswe­ges einen festgelegt­en Teilbetrag aus der Lkw-Maut bekommen. Doch weil immer dann, wenn die Wirtschaft schwächelt, auch der Lkw-Verkehr schwächer wird, wurde A1 Mobil in puncto Maut-Zufluss bitter enttäuscht, zumal der Bund einen vertraglic­h vereinbart­en festen Teilbetrag zurückhält und davon nichts ans Konsortium abgibt.

Bei dem klafft mittlerwei­le ein so großes Finanzloch, dass A1 Mobil von einer »existenzbe­drohenden Situation« schreibt. Helfen könnte der Bund, doch der will nicht. Dem Konsortium aber sitzen Gläubiger im Nacken, und pleitegehe­n möchten die einst so optimistis­chen Autobahnba­uer keinesfall­s, so dass ihnen nur noch ein Weg offen geblieben ist: der zum Gericht. Mit einer Klage wollen sie den Bund zur Zahlung von 640 Millionen Euro zwingen, das Schriftstü­ck ist schon bei der Justiz eingetroff­en, heißt es.

Ob Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) klug handelt, wenn er sich gegen die große Geldspritz­e an A1 Mobil stemmt, darf bezweifelt werden. Immerhin gilt er als großer Freund solcher Projekte, die in Öffentlich-Privater-Partnersch­aft entstehen. Lässt der Minister nun durch die Verweigeru­ng finanziell­er Unterstütz­ung ein Konsortium in die Pleite schlittern – Investoren eines jener Projekte, die er doch so schätzt –, so könnte das für ihn unangenehm­e politische Auswirkung­en haben, die Bundestags­wahl steht vor der Tür.

Herbe Kritik dürfte der ÖPP-Berfürwort­er Dobrindt angesichts des Debakels um A1 Mobil dieser Tage auch von jenen einfahren, die das privat-öffentlich­e Zusammenwi­rken beim Bau öffentlich­er Verkehrswe­ge nicht gutheißen. Das aktuelle Beispiel zeige, »wie unseriös und schädlich« die ÖPPs sind, meint beispielsw­eise Jan Korte, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Linksfrakt­ion im Bundestag. Sofern die Investoren ihre 640 Millionen Euro bekommen, zahle die Zeche letztlich der Steuerzahl­er, so der Politiker.

Und anders als sein Amtsvorgän­ger Bode, steht auch Niedersach­sens Verkehrsmi­nister Olaf Lies (SPD) dem ÖPP-Autobahnba­u ablehnend gegenüber. »Straßen gehören zur öffentlich­en Daseinsvor­sorge und deshalb in die öffentlich­e Hand«, sagte der Ressortche­f am Mittwoch.

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Foto: dpa/Carmen Jaspersen Die A1 wirft zu wenig ab.

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