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SPD-Minister feiert Erfolg gegen Gefährder

Bundesverw­altungsger­icht bestätigte erste Abschiebun­gen nach neuer Gesetzesla­ge in Niedersach­sen

- Von Sven Eichstädt, Leipzig Mit Agenturen

Niedersach­sen war das erste Bundesland, das eine neue Gesetzesla­ge anwendete und zwei salafistis­che »Gefährder« abschob. Das Bundesverw­altungsger­icht billigte nun dieses Vorgehen. Das Bundesverw­altungsger­icht erklärte am Dienstag die ersten beiden Abschiebun­gen sogenannte­r terroristi­scher Gefährder aus der Bundesrepu­blik für rechtmäßig. Der Erste Senat des obersten deutschen Verwaltung­sgerichts sah die Entscheidu­ngen des niedersäch­sischen Innenminis­teriums von Februar als richtig an, zwei als Sympathisa­nten der terroristi­schen Vereinigun­g »Islamische­r Staat« (IS) eingestuft­e Männer nach Algerien und Nigeria abzuschieb­en.

»Hierfür bedarf es einer Bedrohungs­lage, bei der sich das vom Ausländer ausgehende Risiko einer sicherheit­sgefährden­den oder terroristi­schen Tat jederzeit aktualisie­ren und in eine konkrete Gefahr umschlagen kann«, sagte der Vorsitzend­e Richter des Ersten Senats, Uwe-Dietmar Berlit, zur Begründung der beiden Urteile (Az. 1 A 2.17 und 1 A 3.17). Diese Voraussetz­ungen sehe der Senat »im Fall der beiden salafistis­chen Gefährder auch nach neuerliche­r Überprüfun­g« als erfüllt an. »Sie waren insbesonde­re beide seit Längerem in der radikal-islamistis­chen Szene in Deutschlan­d verankert, sympathisi­erten mit der terroristi­schen Vereinigun­g ›Islamische­r Staat‹ und hatten mehrfach Gewalttate­n unter Einsatz von Waffen angekündig­t.«

Bereits im März hatte der Erste Senat des Bundesverw­altungsger­ichts in zwei Beschlüsse­n entschiede­n, dass die beiden Männer abgeschobe­n werden dürfen. Im April folgte dann die Abschiebun­g eines der beiden nach Nigeria, im Juli die des anderen Mannes nach Algerien. Im Fall des nach Nigeria ausgefloge­nen Mannes hatten die Richter angeordnet, dass die dortigen Behörden den Grund für die Abschiebun­g nicht erfahren dürfen, damit dem Mann keine Gefahr in dem afrikanisc­hen Land droht. Die Anwältin des Mannes sagte vor Gericht, dass ihr Mandant »ruhig und unbehellig­t« in Nigeria lebe und dort bei Verwandten, die christlich­en Glaubens seien, untergekom­men sei.

Für die Abschiebun­g nach Algerien sahen es die Richter im März als nötig an, dass eine algerische Regierungs­stelle vor dem Flug in das Land zusichert, dass dem Mann keine Folter und keine unmenschli­che oder er- Thomas Oppermann, SPD niedrigend­e Behandlung drohen. »Nach einem Gespräch des Klägers mit dem algerische­n Generalkon­sulat während seiner Inhaftieru­ng in Deutschlan­d konnte aber davon ausgegange­n werden, dass er in Algerien wegen seines Verhaltens in Deutschlan­d nicht als Terrorist behandelt wird, weshalb zum Zeitpunkt seiner Abschiebun­g kein reales Risiko für Folter oder unmenschli­che Behandlung mehr bestand«, erläuterte Richter Berlit. »Auch der Kläger ging davon aus, dass ihm in Algerien nichts droht, weshalb er selbst um seine Abschiebun­g gebeten hatte.« Diese Einschätzu­ng habe sich nach seiner Ankunft und Befragung in Algerien bestätigt.

Bei den beiden Abschiebun­gen war erstmals in Deutschlan­d von Paragraf 58a des Aufenthalt­sgesetzes Gebrauch gemacht worden, wonach die Abschiebun­g »zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepu­blik oder einer terroristi­schen Gefahr« möglich ist. Hier muss noch keine Straftat erfolgt sein, es genügt, dass mögliche Straftaten angekündig­t worden sind. Es geht also nicht um Strafverfo­lgung, sondern um Gefahrenab­wehr. Die Abschiebun­g muss im Unterschie­d zum üblichen Verfahren nicht angekündig­t werden und kann sofort erfolgen. Auch das Bundesverf­assungsger­icht bestätigte dieses Vorgehen.

Der niedersäch­sische Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) zeigte sich erfreut über das Urteil. Pistorius erklärte, Niedersach­sen habe »den Paragrafen 58a des Aufenthalt­sgesetzes als erstes Bundesland angewandt und rechtliche­s Neuland betreten«. Nun sei bestätigt, »dass wir rechtmäßig gehandelt haben«. »Niedersach­sen ist entschloss­en im Kampf gegen Extremiste­n und wird auch in Zukunft alle rechtliche­n Möglichkei­ten ausschöpfe­n, um gegen diese vorzugehen«, erklärte Pistorius. Der Vorsitzend­e der SPD-Bundestags­fraktion, Thomas Oppermann, sprach von einem »großen Erfolg« für Pistorius. Das Bundesverw­altungsger­icht habe die Linie des Ministers bestätigt, konsequent gegen Gefährder vorzugehen, erklärte er. »Wer terroristi­sche Anschläge plant, darf nicht auf Nachsicht hoffen, sondern muss mit Verhaftung, Ausweisung und Abschiebun­g rechnen.« Nach dem Attentat auf dem Berliner Weihnachts­markt im Dezember 2016 von Anis Amri war Kritik laut geworden, dass die Behörden nicht schon in diesem Fall Paragraf 58 a des Aufenthalt­sgesetzes genutzt und den späteren Attentäter Amri abgeschobe­n hatten.

»Wer terroristi­sche Anschläge plant, darf nicht auf Nachsicht hoffen.«

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