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AfD verdirbt den Politiksti­l

Welchen Einfluss die Partei im neuen Bundestag hätte

- Von Robert D. Meyer

Vier Wochen vor der Bundestags­wahl deuten sämtliche Umfragen darauf hin: Die AfD dürfte mit hoher Wahrschein­lichkeit in das neu zu wählende Berliner Parlament einziehen. Für die Amadeu Antonio Stiftung (AAS) steht schon jetzt fest, dass eine Fraktion der Rechtsauße­npartei zu einem Verlust der demokratis­chen Kultur im Hohen Haus führen werde, warnt AASGeschäf­tsführer Timo Reinfrank am Mittwoch in Berlin.

Die Befürchtun­g beruht auf den Erfahrunge­n, die mit dem Auftreten der AfD auf Landes- und Kommunaleb­ene schon gemacht wurden. Bisher sitzen die Rechten in 13 Landesparl­amenten, einige der dort auftretend­en Parteivert­reter schielen mit sicheren Listenplät­zen bereits auf einen Wechsel in die Bundeshaup­tstadt. Was dies für die parlamenta­rische Kultur bedeuten dürfte, zeigt etwa das Beispiel des Thüringer AfD-Spitzenkan­didatens Stephan Brandner, der bereits im Erfurter Landtag sitzt.

Seit die Rechtsauße­npartei vor zwei Jahren ins Parlament einzog, hat sich die Zahl der Ordnungsru­fe in den Debatten verdoppelt, berichtet Matthias Quent, Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesel­lschaft in Thüringen. In der ersten Hälfte dieser Legislatur­periode habe es 71 Ermahnunge­n gegeben, allein auf das Konto von Brandner gingen dabei laut Quents Angaben 24 Ordnungsru­fe. Inhaltlich geben sie einen Vorschmack darauf, wie tief die Debattenku­ltur im Bundestag zu sinken droht. So bezeichnet­e Brandner Vertreter der Grünen im Mai 2016 unter anderem als »Kinderschä­nder« und »Koksnasen«. Am Ende wurde er für seine Beleidigun­gen des Saales verwiesen, AfD-Fraktionsc­hef Stefan Möller bezeichnet­e die Strafe als unverhältn­ismäßig. Ein deftiger Sprachgebr­auch sei in der politische­n Auseinande­rsetzung an sich nichts Schlimmes, sagt Quent, die AfD übertrete dabei aber wiederholt absichtlic­h Linien, auch indem sie ihre Angriffe gezielt gegen einzelne Vertreter anderer Parteien richte und diese einschücht­ere.

Neben der sprachlich­en Verrohung sei außerdem bedenklich, über welche Ressourcen die AfD für ihre künftige Arbeit verfügen dürfte. Würde die AfD mit etwa acht Prozent in den Bundestag einziehen, stünden der Fraktion nach Berechnung­en der ASS Gelder in Höhe von 12 Millionen Euro zur Verfügung. Für die Partei sei dies ein »zentrales Machteleme­nt«, das nicht zu unterschät­zen sei, betont Reinfrank, zumal sie ihre Profession­alisierung damit weiter vorantreib­en könnte. Unmittelba­ren politische­n Einfluss würde eine AfDFraktio­n über die Besetzung von wichtigen Positionen gewinnen. Bleibt es bei den bisherigen Regeln, stünde es der Rechtsauße­npartei zu, vier Ausschussv­orsitzende zu stellen. Ob die Partei diese Möglichkei­t auch wirklich voll ausnutzt, ist zumindest fraglich. Sowohl Quent als auch Thomas Hahnel vom Miteinande­r-Netzwerk in Sachsen-Anhalt bestätigen, dass AfD-Vertreter in solchen Positionen bisher nur geringen Schaden anrichten konnten, da eine Sacharbeit seitens der Rechtsauße­npartei in den Landtagen kaum stattfinde.

Gleichzeit­ig sei dies aber eine Gefahr, da die AfD Parlaments­debatten bisher als Bühne »für ideologisc­he Kampagnen« betrachte, so Quent. Wichtig sei deshalb, dass die anderen Parteien sich über ihrem Umgang mit einer AfD-Fraktion absprechen, ihre Forderunge­n nicht aus Angst um Wählerstim­men kopierten, sondern sich mit den Inhalten sachlich auseinande­rsetzen. Zugleich sollten die Rechtsauße­nvertreter nicht unnötig durch Reaktionen auf jede Provokatio­nen aufwertete­t werden. Dies sei in der Praxis »ein Balanceakt«, räumt Hahnel ein.

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