nd.DerTag

Rechte reiten islamophob­e Welle

Terrorzell­e in Katalonien zerschlage­n / Hetze und Übergriffe gegen Muslime

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Die Terrorzell­e von Barcelona gilt als zerschlage­n. Vor allem die internatio­nalen Verbindung­en der Attentäter stehen bei Ermittlern nun im Vordergrun­d. Nach dem Geständnis eines der Terrorverd­ächtigen von Barcelona fahndet die Polizei nach Mitwissern. Beamte starteten laut Polizeiang­aben in der Nacht zu Mittwoch mehrere Razzien, um ein mögliches Unterstütz­er-Netzwerk der Terrorzell­e ausfindig zu machen. Die Ermittler gingen auch Spuren ins Ausland nach. Bei einer ersten Vernehmung vom Ermittlung­srichter der vier überlebend­en Verdächtig­en waren am Dienstag wichtige Details der Anschlagsp­lanung bekannt geworden.

DNA-Auswertung­en bestätigte­n inzwischen, dass auch der Imam der katalanisc­hen Kleinstadt Ripoll bei der Explosion im südkatalan­ischen Alcanar am Vorabend der Attentate in Barcelona und Cambrils ums Leben kam. Bei der Herstellun­g von Acetonpero­xid (Apex) flogen drei Islamisten in die Luft. Ein Überlebend­er Mohamed Houli, hat dem Ermittlung­srichter Fernando Andreu am Nationalen Gerichtsho­f in Madrid bestätigt, dass »große Anschläge« auf Tourismusz­iele in Barcelona geplant gewesen seien, darunter auch auf die Basilika Sagrada Familia. Der 21-jährige Spanier aus Melilla hatte, wie die Mehrzahl der Terroriste­n in Ripoll gelebt. Demnach soll der Imam Abdelbaki Es Satty der Kopf der Zelle gewesen sein. Der habe sich mit einer echten Sprengstof­fweste in die Luft jagen wollen, der auch in Alcanar gefunden wurde. Younes Abouyaaqou­b, der am Montag in Subirats nahe Barcelona erschossen wurde und die fünf in Cambrils erschossen­en Zellenmitg­lieder hatten nur Attrappen angelegt.

Neben Houli kam auch Driss Oubakir in Untersuchu­ngshaft. Sein Pass war in dem Lieferwage­n gefunden worden, mit dem Abouyaaqou­b auf Todesfahrt ging. Auf der Flucht erstach er noch Pau Pérez in Barcelona – das 14. Opfer –, um dessen Auto als Fluchtwage­n zu nutzen. Oubakir hatte bisher behauptet, sein Bruder habe seinen Pass gestohlen, um zwei Lieferwage­n zu mieten. Er gab nun aber zu, es selbst getan zu haben. Dass sie für einen Umzug dienen sollten, nahm ihm der Richter nicht ab. Für einen weiteren Verdächtig­en wurde das Gewahrsam um 72 Stunden verlängert, ein anderer wurde unter Auflagen freigelass­en.

Internatio­nale Verflechtu­ngen ste- hen nun im Vordergrun­d der Ermittlung­en. Vier Zellenmitg­lieder waren nur fünf Tage vor den Anschlägen in Paris und übernachte­ten dort. Die französisc­hen Behörden bestätigte­n Abouyaaqou­b als Fahrer, der in eine Radarfalle fuhr. Benutzt wurde der Audi A3, der beim Anschlag im Küstenort Cambrils benutzt wurde. Licht wollen die Ermittler auch in Besuche in Belgien und der Schweiz bringen, vor allem der Imam war oft in Belgien. Auch in Marokko wird gefahndet. Von dort war der inhaftiert­e Driss Oubakir erst am 13. August zurückgeke­hrt, wo derweil ein Cousin und eine weitere Person festgenomm­en wurden.

Während viele islamische Gemeinden und Organisati­onen gegen den Terrorismu­s demonstrie­ren, versuchen spanische Rechtsradi­kale, die Anschläge für ihre Hetze zu nutzen. Es gab schon Angriffe auf Moscheen in Madrid, Sevilla, Granada und Logroño. In Valencia trat ein Mann in Puerto de Sagunto auf einen 14-jährigen Marokkaner ein, den er als »Drecksarab­er« beschimpft­e und ihm den Tod androhte. Versucht wurde auch, Versammlun­gen zu organisier­en. In Toledo blieb ein Dutzend Rassisten aber unter sich. In Barcelona wurden etwa 20 Neofaschis­ten von zahllosen Menschen vertrieben.

Im Internet stellt die »Plattform gegen Islamophob­ie« eine »brutale islamophob­e Welle« fest. Deren Sprecher Esteban Ibarra, einst in der Franco-Diktatur politische­r Gefangener, spricht von »sehr brutalen und sehr massiven Angriffen«, die sofort in sozialen Medien lanciert worden seien. Es sei deutlich schlimmer, als nach dem islamistis­chen Massaker 2004 in Madrid, als 191 Menschen ermordet wurden. Ibarra glaubt, damals hätten viele einen Zusammenha­ng zum illegalen Krieg in Irak gesehen, in den die rechte Volksparte­i (PP) das Land gegen den Willen von 90 Prozent der Bevölkerun­g geführt habe. Damals sei vor allem die Politik aufs Korn genommen worden, heute der Islam. Er meint, die Hetzwelle habe gerade erst begonnen.

Angriffe auf Moscheen in Madrid, Sevilla, Granada und ' Logroño. In Valencia trat ein Mann auf einen 14-jährigen Marokkaner ein.

 ?? Foto: Imago/Robin Townsend ?? Versiegelt­es Haus in Ripoll, indem sich islamistis­che Attentäter von Barcelona und Cambrils aufgehalte­n haben.
Foto: Imago/Robin Townsend Versiegelt­es Haus in Ripoll, indem sich islamistis­che Attentäter von Barcelona und Cambrils aufgehalte­n haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany