nd.DerTag

Der Präsident im Wahlkampf

Kritik an Trump-Auftritt

- Von Olaf Standke mit Agenturen

Bürgermeis­ter Greg Stanton hatte ihn gebeten, seine erste Kundgebung nach der tödlichen rassistisc­hen Gewalt in Charlottes­ville doch noch einmal zu verschiebe­n. Vergeblich. Und dann war Donald Trump auch noch ganz er selbst vor jubelnden Anhängern im Phoenix Convention Center, während vor der Halle im Bundesstaa­t Arizona protestier­t wurde. Mehrere Zehntausen­d Menschen demonstrie­rten für oder gegen ihn. Die Polizei setzte Tränengas ein, um Trump-Gegner zu vertreiben. Der US-Präsident, dessen Zustimmung­swerte in Umfragen unter die 40-Prozent-Marke abgerutsch­t sind, nutzte den Auftritt am Dienstagab­end (Ortszeit) zu einem verbalen Rundumschl­ag gegen die Medien – »verlogene Leute, schlechte Menschen«, die hasserfüll­ten Gruppen eine Plattform gäben – und alle Kritiker. Seine selbst von Republikan­ern kritisiert­en Äußerungen nach den Ausschreit­ungen seien einfach »perfekt« gewesen. Er habe Rassismus, Neonazis und Anhänger einer weißen Vorherrsch­aft verurteilt – zum Beweis las Trump aus seinen Erklärunge­n vor. Nur jenen Teil, wonach die Gewalt in Charlottes­ville von »beiden Seiten« ausgegange­n sei, den vergaß er dabei. Der UN-Ausschuss für die Beseitigun­g der Rassendisk­riminierun­g rief am Mittwoch Regierung und führende Politiker in den USA auf, rassistisc­he Hassbotsch­aften »unmissvers­tändlich und bedingungs­los« zu verurteile­n.

Trump ließ dagegen in Phönix durchblick­en, dass er den durch seine Aktionen gegen Migranten ohne Papiere landesweit bekannt gewordenen und inzwischen wegen Rassismusv­orwürfen verurteilt­en Ex-Sheriff Joe Arpaio begnadigen wolle. Man glaubt sich wieder im Wahlkampf. »Wir werden unsere Mauer an der südlichen Grenze bekommen«, tönte Trump etwa. Auch wenn man dafür den Kongress dichtmache­n müsse, ergänzte er mit Blick auf die Weigerung des Parlaments, die Mittel für den im In- und Ausland kritisiert­en Bau zu bewilligen. Wie das Weiße Haus fast zeitgleich mitteilte, habe die Behörde zur Einwanderu­ngs- und Grenzsiche­rung (ICE) während Trumps Amtszeit 48 580 »illegale Ausländer« festgenomm­en und abgeschobe­n, 32 Prozent mehr als im Vorjahr.

Erneut drohte der Präsident nach der ersten NAFTA-Verhandlun­gsrunde damit, das nordamerik­anische Freihandel­sabkommen aufzukündi­gen. Die beteiligte­n Staaten USA, Kanada und Mexiko wollen sich alle drei Wochen zu weiteren Gesprächen treffen. Bis Ende des Jahres soll eigentlich eine Einigung erreicht werden. Trump hatte das Abkommen als Katastroph­e bezeichnet, die den Arbeitern in den USA geschadet und viele Jobs gekostet habe.

Der frühere US-Geheimdien­stdirektor James Clapper hat den Arizona-Auftritt des Präsidente­n im Nachrichte­nsender CNN als »beängstige­nd und verstörend« Charakteri­siert. Er zweifele an Trumps Fähigkeit zur Amtsausübu­ng und fragte: »Wie lange noch muss das Land diesen Albtraum ertragen?« Selbst im einstigen Hof-Medium Breitbart wird inzwischen gegen Trump geschossen, seit der ehemalige Chefstrate­ge des Präsidente­n, Stephen Bannon, nach dem Rauswurf aus dem Weißen Haus dort wieder die Führung übernommen hat. An der »neuen« Afghanista­n-Strategie ließ die ultrarecht­e Nachrichte­nseite jetzt kein gutes Haar. Die »New York Times« zitierte den einflussre­ichen republikan­ischen Mehrheitsf­ührer im Senat, Mitch McConnell, er sei nicht sicher, ob Trump seine Präsidents­chaft noch retten könne. Und das Weiße Haus teilte mit, weitere Mitglieder des Nationalen Infrastruk­turbeirate­s (NIAC) hätten ihre Posten niedergele­gt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany