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»Marshall-Plan« für die Ukraine

EU soll nach dem Willen Litauens die am Boden liegende Wirtschaft des Staates finanziell unterstütz­en

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Das litauische Parlament hat den »Neuen europäisch­en Plan« erarbeitet, der der ukrainisch­en Wirtschaft helfen soll. Fünf Milliarden Euro sollen jährlich nach Kiew fließen. Die Idee hat Unterstütz­er und Kritiker. »Die Ukraine braucht Frieden und Stabilität. Sonst kann über sichere Zukunft Europas kaum gesprochen werden«, sagte der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o im März 2017, als beim Kongress der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) die Erarbeitun­g des so genannten MarschallP­lans für die Ukraine angekündig­t wurde. Eigentlich wird über ein Hilfsprogr­amm ähnlich dem ursprüngli­chen Marshall-Plan, der nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA ins Leben gerufen wurde, um Europa finanziell zu helfen, bereits seit dem Beginn der Ukraine-Krise im Winter 2014 gesprochen. Im Frühjahr nun hatte die EVP die entspreche­nde Resolution angenommen, damit ist die mittel- und langfristi­ge wirtschaft­liche Hilfe an Kiew zum Teil des Programms der größten Fraktion im Europaparl­ament geworden.

Nun gibt es einen konkreten Vorschlag, der vom litauische­n Parlament initiiert wurde. Dabei geht es um rund fünf Milliarden Euro, die Kiew jährlich von der EU bekommen soll. »Dieses Geld soll in erster Linie in das wirtschaft­liche Wachstum sowie in die Entwicklun­g fließen«, schrieb der ukrainisch­e Vizepremie­rminister Stepan Kubiw vor einigen Tagen auf seiner Facebook-Seite. Außerdem wird die Möglichkei­t in Betracht gezogen, eine einmalige Zahlung von rund 30 Milliarden an die Ukraine zu leisten. Das sind umgerechne­t drei Prozent des gesamten EU-Haushalts. »So viel ist das nicht«, betont einer der Autoren des Vorschlags, Litauens Ex-Minister- präsident und Parlaments­abgeordnet­er Andrius Kubilius.

»Das Wichtigste ist aber, innerhalb von fünf Jahren rund 25 Milliarden Euro in die real existieren­de Wirtschaft zu investiere­n. Heute liegt das Wirtschaft­swachstums­niveau in der Ukraine bei rund zwei Prozent – und dieses Geld würde helfen, mindestens zwischen sechs und acht Prozent hinzukrieg­en«, glaubt Kubilius. In diesem Jahr will der litauische Politiker Unterstütz­er für seine Idee finden, die es aber reichlich gibt. 2018 könnte dann laut Kubilius zum »Jahr tatsächlic­her Projekte« werden – und 2019 stehen die Chancen gut, dass der »Marshall-Plan« für die Ukraine, der offiziell »Neuer europäisch­er Plan für die Ukraine« heißt, auf der höchsten Ebene angenommen wird.

In Kiew zeigt man sich mit der Initiative Litauens, die bereits seit Anfang des Jahres auf dem Tisch liegt, so- wie mit dem konkreten Projekt zufrieden: »Es ist ein sehr konstrukti­ver Vorschlag, der uns stark nach vorne bringen wird«, sagten Vizepremie­r Stepan Kubiw und Parlaments­abgeordnet­e Hanna Hopko, Vorsitzend­e des Komitees für Auslandsbe­ziehungen.

»Ich möchte sehr, dass diese Idee verwirklic­h wird«, sagte der ukrainisch­e Premiermin­ister Wolodymyr Grojsman im Juli. »Es ist eine sehr gute Initiative, die bereits die vorherige Regierung um Arsenij Jazenjuk in Anspruch nahm. Das passt uns, unserer Wirtschaft und unseren Zielen sehr gut.« In Russland überwiegt jedoch die Skepsis, ob die EU Kiew tatsächlic­h fünf Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung stellen wird. »Das, was ich aus der EU gehört habe, war nicht besonders optimistis­ch«, betonte Alexej Puschkow, Vorsitzend­er des Informatio­nspolitikk­omitees des Föderation­srats. »Niemand will fünf Milliarden in das schwarze Loch der Kiewer Korruption investiere­n. Die Idee wird lediglich von baltischen Staaten unterstütz­t, die hoffen, die Rechnungen würden eh von anderen bezahlt.«

Aber auch die Experten in der Ukraine sehen den »Marshall-Plan« noch keinesfall­s als beschlosse­ne Sache an. »Es ist auf jeden Fall gut für Kiew, dass es konkreter wird. Das ist jedoch keine Errungensc­haft der Ukraine an sich«, meint Wasyl Jurtschysc­hyn, Wirtschaft­sexperte des Kiewer Think Tank Zentr Rasumkowa. »Denn die Ukraine hat über ein solches Hilfsprogr­amm all diese Jahre gesprochen, war jedoch nie in der Lage, etwas selbst vorzuschla­gen. Daran könnte auch diesmal vieles scheitern.«

Die Ukraine bekommt schon jetzt eine Menge Kredite vom Internatio­nalen Währungsfo­nds, der EU und vereinzelt von westlichen Ländern. Ob ein neues Kreditprog­ramm daher wirklich hilfreich wäre, steht noch in Sternen.

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Foto: dpa/Friedemann Kohlee Geschlosse­ner Luxusladen im ukrainisch­en Donezk

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