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Mohrenstra­ße soll Anton-Wilhelm-Amo-Straße werden

Aktivisten von »Decolonize Berlin« begehen Umbenennun­gsfest und fordern ersten schwarzen Philosophe­n Deutschlan­ds als Namensgebe­r

- Von Johanna Treblin

Für eine Umbenennun­g der Mohrenstra­ße gibt es im Bezirk keine Mehrheit. Wohl aber für Straßen im Afrikanisc­hen Viertel. Wissenscha­ftler sollen nun Stellungna­hmen zu den Vorschläge­n abgeben. Anton-Wilhelm-Amo-Straße, so soll die Mohrenstra­ße in Mitte nach Wunsch des Bündnisses »Decolonize Berlin« heißen. Amo war der erste bekannte Philosoph und Rechtswiss­enschaftle­r afrikanisc­her Herkunft in Deutschlan­d. 1703 im heutigen Ghana geboren, wurde er als Kind an den Hof von Braunschwe­ig-Wolfenbütt­el verschenkt. Er hatte Glück, erhielt eine Ausbildung und besuchte die Universitä­t, wo er später auch lehrte.

Das Bündnis »Decolonize Berlin« engagiert sich seit mehreren Jahren dafür, der Mohrenstra­ße einen neuen Namen zu geben. Zum »Internatio­nalen Tag zur Erinnerung an den Sklavenhan­del und seine Abschaffun­g« will es am Mittwochab­end das vierte Umbenennun­gsfest begehen.

Über den Anlass, die Straße, die am Deutschen Dom vorbeiführ­t, Mohrenstra­ße zu nennen, sind die Historiker uneins. Hintergrun­d könnte die Ankunft erster Sklaven im heutigen Berlin sein – wobei der Zeitpunkt dafür unklar ist. Der Historiker Ulrich van der Heyden schrieb kürzlich in einem Beitrag für die »Berliner Zeitung«, der Besuch einer Delegation afrikanisc­her Repräsenta­nten Ende des 17. Jahrhunder­ts sei ausschlagg­ebend für die Namensgebu­ng gewesen. Zudem schreibt van der Heyden, das Wort »Mohr« sei al- lein von seiner Herkunft her nicht negativ besetzt.

Teil des Bündnisses »Decolonize Berlin« ist die »Initiative Schwarzer Menschen«. Vorstandsm­itglied Tahir Della hält van der Heydens »übliche Litanei« für »nicht zielführen­d«: »Ausschlagg­ebend ist nicht, wie etwas irgendwann einmal gemeint war.« In der Debatte um kolonialis­tisch geprägte Straßennam­en müsse es viel- mehr um die Wahrnehmun­g der Betroffene­n gehen. Und die »M*straße«, wie Della sie nennt, werde nun einmal stigmatisi­erend wahrgenomm­en.

Angekommen bei politische­n Entscheidu­ngsträgern ist diese Sichtweise in einem anderen Fall: Im Afrikanisc­hen Viertel in Wedding sollen zwei der Straßen sowie ein Platz, die nach Akteuren des Kolonialis­mus benannt sind, umbenannt werden. Das Bezirksamt Mitte hatte dazu Anwohner befragt und eine Jury eingesetzt. Sechs Namen standen am Ende auf der Vorschlags­liste, an der sich nach Veröffentl­ichung eine Debatte entzündete.

Zunächst sollte daraufhin die Jury erneut tagen und Ersatzvors­chläge liefern. Letztlich entschied sich der Kulturauss­chuss der Bezirksver­ordnetenve­rsammlung (BVV) aber für ein anderes Prozedere: Jede der sieben Fraktionen in der BVV soll je einen Wissenscha­ftler oder eine Wissenscha­ftlerin benennen, der oder die die Vorschläge bewertet und gegebenenf­alls neue unterbreit­et. Ein Zeitplan steht noch nicht fest.

Christian Kopp von der Initiative »Berlin Postkoloni­al«, ebenfalls Teil des Bündnisses »Decolonize Berlin«, hält die Vorgehensw­eise für »vernünf- tig«. »Uns ist wichtig, dass die Straßen nach Widerstand­skämpfern benannt werden, die einen Bezug zum deutschen Kolonialis­mus haben.« Ziel sei, die Perspektiv­e umzukehren, nicht, wie auch van der Heyden Umbenennun­gsaktivist­en unterstell­t, Geschichte auszumerze­n.

Auch der Linksfrakt­ion in der BVV ist der Bezug wichtig. Sie will einen Historiker oder eine Historiker­in »aus den Gebieten oder mit Bezug zu den früheren deutschen Kolonien« benennen, sagt die kulturpoli­tische Sprecherin Anett Vietzke. Im Gespräch ist Ellen Ndeshi Namhila, Vize-Kanzlerin der Universitä­t Windhuk in Namibia.

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Abb.: wikimedia/Web Gallery of Art Sklaven bedienten am Hof Friedrichs I. um 1710.

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