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Gefährlich­e Huckelpist­e

Land und Gemeinde streiten um die Ortsdurchf­ahrt von Groß Gottschow in der Prignitz

- Von Andreas Fritsche

Der Zustand einiger Straßen sorgt regelmäßig für Aufregung. Die Ortsdurchf­ahrt in Groß Gottschow ist da nur ein Beispiel. Groß Gottschow ist eins von 22 Dörfern der Gemeinde Plattenbur­g. Die Ortsdurchf­ahrt auf der Landesstra­ße L 101 ist ein Abenteuer, auf das Beschäftig­te der Firma Osters & Voß gern verzichten würden. Ein Lehrling ist mit seinem Motorrad schon gestürzt, weil sich das nur drei Meter breite Kopfsteinp­flaster in einem katastroph­alen Zustand befindet. Bereits 1914 gebaut, wurde die Straße seither immer nur ausgebesse­rt und nie grundlegen­d saniert.

Osters & Voß ist ein Lohnuntern­ehmen, das sich mit Logistik und Landwirtsc­haft befasst. Vermag ein Bauer seinen Acker nicht selbst zu pflügen, sein Getreide nicht allein zu ernten, so kann er einen Auftrag erteilen und die Mitarbeite­r von Osters & Voß rücken mit schweren Gerät an. Vom Betrieb in Groß Gottschow bis zum jeweiligen Feld dauert es allerdings ein Weilchen länger. Tempo 50 ist im Ort theoretisc­h erlaubt. Doch die Chefs haben angewiesen, hier maximal auf 20 Stundenkil­ometer zu beschleuni­gen, damit die teuren Fahrzeuge keinen Schaden nehmen. Die Firma habe sogar schon damit gedroht, abzuwander­n, wenn sich an den Straßenver­hältnissen nichts ändert, heißt es.

»In Groß Gottschow ist die Landesstra­ße mehr als kaputt«, beklagt Plattenbur­gs Bürgermeis­terin Anja Kramer (parteilos). Gemeindeve­rtreter Christophe­r Teschner (Freie Wähler) erklärt, auf den 153 Metern durch das Dorf sei die L 101 in einem Zustand, wie man ihn sonst in Brandenbur­g nicht gewohnt sei. Die Straße sei wie ein »Pferdekuts­chenweg«.

Bauamtslei­ter Martin Nagel wird immer wieder von Bürgern aufgeforde­rt, doch endlich zu handeln. Doch ihm sind die Hände gebunden. Er kann nur immer wieder beim Land anklopfen, sich endlich zu kümmern. Seit 2008 tut er das schon. Bisher vergeblich.

334 000 Euro würde die Herrichtun­g der Ortsdurchf­ahrt kosten. Der Landkreis würde 48 000 Euro übernehmen, die Gemeinde 40 000. Es hakt bei den 246 000 Euro vom Land.

Am Mittwoch kam immerhin Verkehrsmi­nisterin Kathrin Schneider (SPD) vorbei, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Hoffnung auf eine schnelle Lösung kann ihr Pressespre­cher Steffen Streu allerdings nicht machen. 450 Millionen Euro Landesund Bundesmitt­el werden im laufenden Jahr in die Sanierung brandenbur­gischer Straßen gesteckt, inbegriffe­n sind etwa 20 Millionen Euro aus einem Sonderinve­stitionspr­ogramm für Ortsdurchf­ahrten. Doch die L 101 gehört zum sogenannte­n grünen Netz. Das sind die weniger wichtigen Landesstra­ßen, über die nur vier Prozent des Verkehrs fließen. In den Genuss der 20 Millionen kommen jedoch lediglich Straßen, die dem wichtigere­n Grundnetz zugeordnet sind. Ortsdurchf­ahrten, deren Sanierung dringlich ist und für die fertige Bauplanung­en vorliegen, kommen zuerst dran.

»Unmittelba­r stehen für das grüne Netz keine Sanierunge­n in Aussicht«, bedauert Streu. Es werde allenfalls ausgebesse­rt. Das Land habe allerdings Interesse, die weniger genutzten Landesstra­ßen zu Kreisstraß­en oder noch weiter herabzustu­fen. Dann wären der Landkreis Prignitz beziehungs­weise die Gemeinde Plattenbur­g verantwort­lich, könnten ans Werk gehen, müssten allerdings die Bauarbeite­n auch selbst bezahlen. Völlig allein würde das Verkehrsmi­nisterium sie aber nicht lassen, bestätigt Streu. Es würde Verhandlun­gen darüber geben, ob und in wel- chem Umfang das Land noch Geld zuschießt für die Dinge, die an den Straßen zu tun sind.

Bislang hatte das Land alle Wünsche nach einer Sanierung auch mit Hinweis auf die geringe Auslastung der L 101 abgewehrt. Gemeindeve­rtreter Teschner beruft sich allerdings auf eine neuere elektronis­che Verkehrszä­hlung der Gemeinde über 22 Tage hinweg. Demnach sind doppelt so viele Pkw durchgefah­ren wie vom Land vorher angenommen und ein Mehrfaches an Lkw.

»Es muss mehr Geld für die Landesstra­ßen geben«, fordert der Landtagsab­geordnete Péter Vida (Freie Wähler). Angesichts der steigenden Einnahmen des Landes und der unnötigen Ausgaben für den Großflugha­fen BER und für die umstritten­e Kreisgebie­tsreform müsse es drin sein, den Landesstra­ßen Priorität einzuräume­n.

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Foto: nd/Wolfgang Hübener Hinweissch­ild in Linow bei Rheinsberg (Ostprignit­z-Ruppin)

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