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Pädagogisc­he Rabattcoup­ons

Thüringens grüne Umweltmini­sterin Anja Siegesmund will die Landeskind­er mit einem »Sparbuch« an den Klimaschut­z heranführe­n

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Preisnachl­ässe für den Wechsel zu Ökostrom? Für den Einkauf in einem Reformhaus? Für ökologisch­e Cafés? All das gibt es in Thüringen jetzt vom Staat. Es sind die kleinen Dinge, die das Leben besser machen. Oder dazu beitragen, das Klima zu retten. Weshalb es auch viele kleine Dinge sind, die das Thüringer Umweltmini­sterium in seinem »Klimarette­r-Sparbuch« zusammenge­tragen hat. Zehn Prozent Rabatt auf einen Einkauf in einem Reformhaus, einen Gratissaft zum Mittag in einem ökologisch­en Café, 25 Euro Startgutha­ben beim Wechsel zu einem Ökostroman­bieter.

Dinge also, die einzeln nicht den großen Unterschie­d ausmachen. Weder in der Haushaltsk­asse noch bei der CO2-Bilanz der Erde. Die aber eine größere Wirkung entfalten, wenn der Einzelne sie öfter tut – oder viele sie mindestens ab und zu mal tun.

Denn darum geht es beim Klimarette­r-Sparbuch, das Thüringens Umweltmini­sterin Anja Siegesmund jüngst in Erfurt vorstellte. Es ist ein Heftchen mit Rabattcoup­ons. Vorangeste­llt ist den Rabattmark­en ein relativ ausführlic­her Informatio­nsteil, in dem es ebenso um neue Esskultur und die dabei zum Einsatz kommenden Bio-Siegel geht wie um naturvertr­äglichen Tourismus.

Einerseits, sagt Siegesmund, solle mit dem Heftchen ein Anreiz für Menschen geschaffen werden, »um irgendwo mal reinzustie­feln, wo man vorher noch nicht war«. Oder Dinge zu tun, die man vorher noch nicht tat. Und beim Klimaschut­z nicht immer nur auf andere zu zeigen – die Automobili­ndustrie, die Energiewir­tschaft, die Nachbarn –, sondern im kleinen Rahmen selbst anzufangen, etwas dafür zu tun, dass weniger CO2 in die Atmosphäre gelangt.

Und weil viele Menschen Klimaschut­z eben nicht zuerst um des Klimaschut­zes willen praktizier­en, son- dern weil sich für sie damit bisweilen bares Geld sparen lässt, macht die Sache mit den Rabattschn­ipseln also durchaus Sinn. Was es freilich umso eigenartig­er macht, dass nach Angaben des Thüringer Umweltmini­steri- Anja Siegesmund (Grüne), Thüringer Umweltmini­sterin ums bislang kein anderes Flächenbun­desland ein vergleichb­ares Sparbuch aufgelegt hat.

Anderersei­ts aber soll das Heftchen auch dabei helfen, eine Botschaft zu vermitteln, die weit über alle Verspreche­n auf ein paar Euro Ersparnis hier und da hinausgeht. Eben weil, ökologisch­en Produkten in wei- ten Teilen der deutschen Gesellscha­ft noch immer ein zweifelhaf­ter Ruf anhängt. Bio-Essen gelten vielen Menschen als ein Ausweis für ein Bekenntnis zum Verzicht, das vor allem Besserverd­ienende ablegen, die sich irgendwie für Gutmensche­n und auch Besserwiss­er halten.

Dabei, sagt Siegesmund, zeige doch gerade auch das Klimarette­rSparbuch, dass Bio, Öko und Nachhaltig­keit nicht nur Verzicht bedeuteten, »dass das Spaß machen kann« und das sich damit Geld sparen ließe; ergo, dass die Rettung des Klimas etwas sei, zu dem jeder – und nicht nur die oberen Zehntausen­d – beitragen könnten. Dass zum Beispiel Essen und Trinken in den Bioläden, für die sich in dem Sparbuch Rabattcoup­ons finden, teurer sind, als in vielen anderen Kneipen, hält die Grünen-Politikeri­n daher für kein Argument, dort nicht Essen und Trinken zu gehen. Schließlic­h, sagt sie, müsse man sich doch nur überlegen, wofür man sein Geld ausgebe. Nach- haltig zu essen sei besser, als ständig ein neues Smartphone zu kaufen. »›Her mit dem guten Leben‹, heißt nicht, dass man immer das Neuste haben muss«, sagt sie.

Wahrschein­lich ziemlich unbeabsich­tigt zeigt das Heftchen mit den pädagogisc­hen Coupons zudem, wie viel »Luft nach oben«, um Siegesmund­s Worte zu benutzen, all diejenigen in Thüringen haben, die mit dem Trend zu mehr Bio, Öko und Nachhaltig­keit Geld verdienen wollen. Weil sie, sagt die Ministerin, häufig nicht so sichtbar seien, wie sie sein müssten. Was sicher stimmt. Jenseits der Tatsache, dass solche Unternehme­n und Freiberufl­er vor allem in den größeren Städten des Landes zu finden sind. Wo doch gerade im ländlichen Raum – wo dem Thüringen nun wirklich genug hat – die Voraussetz­ungen dafür besonders gut sind, biologisch, ökologisch und nachhaltig zu leben. Und damit eben auch das Klima zu retten. Wenigstens ein kleines bisschen.

»›Her mit dem guten Leben‹ heißt nicht, dass man immer das Neuste haben muss.«

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