nd.DerTag

Als der Knopf rot wurde Berlin.

Die Ära des deutschen Farbfernse­hens begann vor 50 Jahren mit einer Lüge

- Jam

Als am 25. August 1967 der damalige Bundesauße­nminister Willy Brandt auf der Internatio­nalen Funkausste­llung (IFA) in Berlin einen roten Knopf drückte, erlebten in der Bundesrepu­blik die Zuschauer vor den Fernsehger­äten das, was heute »Fake News« genannt wird: einen Moment der Propaganda. Der Knopf war eine Attrappe, was technisch versierte Zuschauer sich denken konnten. In Wahrheit legte ein Ingenieur im Übertragun­gswagen vor der Tür den Hebel um. Allerdings tat er das zu früh, so dass der SPD-Politiker nebst Knopfattra­ppe schon einige Sekunden zu früh in bunt zu sehen war. Der für die Panne verantwort­liche SFB (Sen- der Freies Berlin) versuchte sich damals mit der Behauptung herauszure­den, es habe sich um einen besonders empfindlic­hen Buzzer gehandelt.

Vor den auf Wohnzimmer­altaren thronenden TV-Geräten bekamen diese Lüge aber nur jene 6000 Zuschauer (plus eingeladen­e Nachbarn, Verwandte und Freunde) mit, die damals bereits einen Farbfernse­her besaßen. Für die rund 14 Millionen anderen war Brandts roter Knopf so grau wie zuvor, denn sie hatten nur Schwarz-Weiß-Fernseher. In der DDR konnte niemand das Ereignis in Farbe verfolgen, denn dort wurde das Farbfernse­hen erst 1969 eingeführt.

Farbfernse­her waren vor 50 Jahren teuer. In der BRD kostete 1970 ein solches Gerät im Schnitt 2400 DM; inflations­bereinigt waren das nach heutiger Währung mehr als 3000 Euro. In der DDR musste man für Farbfernse­her das Mehrfache eines Durchschni­ttlohns zahlen. Auf beiden Seiten der Mauer gönnten sich viele einen FarbTV aus Anlass von Großereign­issen wie den Olympische­n Spielen 1972 oder der Fußball-WM 1974. Der Fernseher wurde zum Leitmedium. Heute ist der klassische Fernseher ein Empfangsge­rät unter vielen und Videostrea­ming-Anbieter machen dem linearen TV Konkurrenz.

 ?? Foto: dpa/Willi Gutberlet ??
Foto: dpa/Willi Gutberlet

Newspapers in German

Newspapers from Germany