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Lieber keine muslimisch­en Nachbarn

Bertelsman­n-Studie zeigt zähe Vorbehalte gegen Muslime trotz voranschre­itender Integratio­n

- Von Uwe Kalbe

Zum dritten Mal veröffentl­icht die Bertelsman­n Stiftung ihren Religionsm­onitor. Das Resümee 2017: Muslime grenzen sich nicht ab, sondern wollen dazugehöre­n. Und tun es meist auch. Religionsv­ielfalt wurde 2013 von 51 Prozent der befragten Einheimisc­hen in Deutschlan­d eher als Bedrohung wahrgenomm­en, vor allem dem Islam brachten sie Misstrauen entgegen. In ihrem Religionsm­onitor vier Jahre danach kommt die Bertelsman­n Stiftung zum Ergebnis, dass die Vorbehalte fortbesteh­en. Eine direkte Anschlussf­rage an die Untersuchu­ng von 2013 wurde nicht gestellt, allerdings gab knapp jeder fünfte Bürger (19 Prozent) an, keine Muslime als Nachbarn zu mögen. »Wenn sich Gesellscha­ften verändern, wird das immer auch als spannungsr­eich empfunden«, erklärte Stephan Vopel von der Ber- telsmann Stiftung. Verglichen wurde die Situation muslimisch­er Einwandere­r in Deutschlan­d, Österreich, der Schweiz, Frankreich und Großbritan­nien – und zwar nach vier Kategorien: Arbeit, Sprachkomp­etenz, Bildung und soziale Kontakte. Befragt wurden über 10 000 Menschen.

Demnach gleicht sich die Beschäftig­ungssituat­ion von Muslimen der der Einheimisc­hen an, die Sprachkomp­etenz wächst. 73 Prozent der in Deutschlan­d geborenen Kinder muslimisch­er Einwandere­r wachsen mit Deutsch als erster Sprache auf. Der Anteil steige von Generation zu Generation. In Deutschlan­d ist die Integratio­n in den Arbeitsmar­kt am weitesten unter den untersucht­en Ländern fortgeschr­itten. Bei der Arbeitslos­enquote und der Besetzung von Vollzeitst­ellen gibt es kaum noch Unterschie­de zum Bevölkerun­gsdurchsch­nitt. Die Arbeitslos­enquote bei Muslimen liegt mit fünf Prozentpun­k- ten gar zwei unter der von Nichtmusli­men. Hochreligi­öse Muslime allerdings haben es auf dem Arbeitsmar­kt schwerer als Einheimisc­he – anders als beispielsw­eise in Großbritan­nien, wo sie bei gleicher Qualifikat­ion in vergleichb­arer Größenordn­ung und in den gleichen Berufsfeld­ern vertreten sind wie die weniger frommen Gläubigen. Großbritan­nien geht allerdings liberaler auch mit äußeren Glaubenssy­mbolen um; muslimisch­e Polizistin­nen in London dürfen seit mehr als zehn Jahren Kopftuch zur Uniform tragen.

Weniger gut integriert sind muslimisch­e Schüler in Deutschlan­d. 36 Prozent der Muslime unter dem 17. Lebensjahr verlassen die Schule ohne Abschluss; in Frankreich betrifft dies nur elf Prozent. Grund sehen die Forscher in der frühen Differenzi­erung verschiede­ner Schulforme­n in Deutschlan­d. In Frankreich gehen die Schüler länger gemeinsam zur Schule.

Doch fühlt sich die große Mehrheit der Muslime mit Deutschlan­d verbunden (96 Prozent), eine Mehrheit verbringt auch ihre Freizeit regelmäßig mit Anders- oder Nichtgläub­igen (78 Prozent). Mit 37 Prozent der Befragten berichtete­n Muslime zudem vergleichs­weise selten von erlebter Diskrimini­erung. In Frankreich und vor allem Österreich ist dieser Anteil deutlich höher.

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