nd.DerTag

Videokamer­as schützen nicht

- Martin Kröger glaubt den Überwachun­gsapologet­en nicht

Die Polizei in Berlin hat mit Hilfe von Kamerabild­ern zuletzt ein paar schöne Fahndungse­rfolge erzielt – das ist unbestritt­en. Der U-Bahn-Treter-Fall und der Versuch etwa, einen Obdachlose­n anzuzünden, konnten im Nachhinein aufgeklärt und die Täter dingfest gemacht werden.

Überwachun­gsapologet­en ziehen aus den Beispielen die Lehre: Opferschut­z ist wichtiger als Datenschut­z. Deshalb müsse auch der umstritten­e Gesichtser­kennungste­st am Bahnhof BerlinSüdk­reuz weiterlauf­en. Eine angeblich intelligen­te Videotechn­ik würde demnach die Sicherheit für die Bürger »greifbar« verbessern und überdies für Abschrecku­ng sorgen. Fast könnte man angesichts solcher Verheißung­en meinen, dass sich in Zukunft aus den Kameras im Notfall Sicherheit­smitarbeit­er abseilen, die dann eine Straftat, noch während sie läuft, unterbinde­n.

Das ist Unsinn, genau wie die Suggestion, eine Kamera könnte Menschen schützen. Dass das Gegenteil der Fall ist, zeigt der Fall von Anis Amri, dem Attentäter vom Berliner Weihnachts­markt. Auf seiner Flucht nach dem Anschlag mit zwölf Toten und über 50 Verletzten posierte er sogar noch vor einer Überwachun­gskamera und erhob den Zeigefinge­r zum Tauhid-Gruß – der Islamist nutzte die Kameras also für seine Propaganda­zwecke.

Wer Menschen besser schützen will, muss mehr Bahnsteigp­ersonal und Polizisten einstellen. Durch Überwachun­gstechnik werden diese wirklichen Helfer in der Not nie zu ersetzen sein.

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