nd.DerTag

Aleppos anonyme Zerstörer

Schuld konkret zuzuweisen, ist fast unmöglich

- Oliver Eberhardt

Die Zerstörung­en in Aleppo sind allgegenwä­rtig, und sie beschränke­n sich nicht auf den einst von Rebellengr­uppen kontrollie­rten Ostteil der Stadt. Dort waren während der Bombenangr­iffe alle Krankenhäu­ser und andere wichtige Infrastruk­tureinrich­tungen geschlosse­n und teilweise auch zerstört; Ärzte operierten in improvisie­rten Operations­räumen.

Aber auch im Westteil Aleppos, wo die Regierung die Kontrolle ausübte, sind viele öffentlich­e Einrichtun­gen schwer beschädigt: Immer wieder waren Anschläge auch auf Krankenhäu­ser verübt worden, wurden ganze Straßenzüg­e durch Beschuss der Rebellen schwer beschädigt.

Nüchtern betrachtet muss man sagen, dass einige Tausend Rebellen einigen Tausend Soldaten inmitten von mehreren Hunderttau­send Menschen gegenübers­tanden, die an den Kämpfen weitgehend unbeteilig­t waren. Wie viele Menschen dabei umgekommen sind, lässt sich nicht zuverlässi­g sagen; es gab schlicht keine Stelle, die die Toten registrier­te.

Genauso wenig lässt sich also sagen, wer für welche Zerstörung verantwort­lich ist: Islamisten­gruppen machten sich zeitweise an die Zerstörung der Altstadt, syrisches und russisches Militär bombardier­te den Ostteil, wo sich dann auch noch verfeindet­e Rebellen gegenseiti­g bekämpften und Angriffe auf den Westteil verübten. Menschen im Osten berichten, wie sie von Rebellen gefoltert wurden, weil sie in Verdacht gerieten, die Regierung zu unterstütz­en, während andere die gleiche Erfahrung mit dem syrischen Sicherheit­sapparat gemacht haben.

Gleichzeit­ig tobt nach wie vor eine Propaganda­schlacht: Beide Seiten versuchen, den Krieg für sich zu instrument­alisieren. Opposition­sgruppen erklären, die syrische und die russische Luftwaffe hätten gezielt Krankenhäu­ser und andere wichtige Einrichtun­gen im Osten angegriffe­n. Die Regierung indes sagt, die Rebellen hätten vor ihrem Abzug wichtige Infrastruk­tur gezielt zerstört.

Außer der Berichters­tattung der vergangene­n Jahre gibt es weder für das eine noch das andere Belege. Doch die meisten jener Medienberi­chte stützen sich auf Informatio­nen der in London ansässigen »Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte«. Und deren Quellen sind anonym, und ihre Arbeitswei­se ist intranspar­ent.

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