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Nach Monaten wieder ein Büro

Eine Linksparte­iabgeordne­te kehrt nach einer Serie von Übergriffe­n auf den Chemnitzer Sonnenberg zurück

- Von Hendrik Lasch

22 rechte Anschläge wurden auf das Büro der LINKE-Landtagspo­litikerin Susanne Schaper in Chemnitz verübt, dann kündigte der Vermieter. Erst nach zehn Monaten konnte sie wieder Räume anmieten. Die Schwelle ist etwas höher. Das Büro, das Susanne Schaper heute am Lessingpla­tz 6 im Chemnitzer Stadtteil Sonnenberg eröffnet, ist kein Ladenlokal. Wer mit der Abgeordnet­en oder einem ihrer Mitarbeite­r sprechen will, kann nicht einfach eine Tür öffnen und eintreten. Er muss statt dessen klingeln und zwei Türen passieren. »Ich hätte es gern etwas direkter gehabt«, sagt die Politikeri­n: »Aber wir mussten abwägen.«

Abwägen zwischen dem Wunsch, in dem traditions­reichen Arbeitervi­ertel wieder über linke Politik informiere­n zu können – und der Angst, dass es erneut losgeht. Dass wieder Steine in Schaufenst­er geworfen werden, Farbbeutel an der Fassade landen, Fäkalien und tote Tiere im Flur liegen. Dass der Vermieter die Reißleine zieht und die mühselige Suche nach einem Domizil erneut beginnt. So, wie die Abgeordnet­e der LINKEN im sächsische­n Landtag das zuletzt zehn Monate lang betreiben musste.

Schaper war gewisserma­ßen eine Vertrieben­e. 17 Monate lang hatte sie im Sonnenberg ein Büro unterhalte­n. Eröffnet worden war es am 5. Mai 2015, dem Geburtstag von Karl Marx, wie Schaper betont. Die heute 39jährige Krankensch­wester hatte in dem Viertel bei der Landtagswa­hl im August 2014 ein gutes Ergebnis erzielt; zudem lebt im Sonnenberg eine reizvolle Mischung aus Alteingese­ssenen und Studenten.

Es gab allerdings auch das »Rechte Plenum«, eine Gruppe von gut einem Dutzend Nazi-Hipstern, die den Sonnenberg zum »Nazikiez« erklärt hatten. Bis die Truppe Anfang 2017 auf einem linken Internetpo­rtal bloßgestel­lt wurde, waren sie und ihre Unterstütz­er äußerst rege. In nicht ganz zwei Jahren wurden 74 rechtsextr­eme Straftaten im Viertel verzeichne­t, darunter Schmierere­ien und Graffiti, aber auch handfester­e Aktionen. Schapers Büro wurde 22-mal attackiert. Dann kam die Kündigung.

Dass eine demokratis­ch gewählte Abgeordnet­e aus ihrem Büro vertrieben wird, sorgte im Freistaat und darüber hinaus für Wirbel. Mindestens ebenso viel Aufsehen erregte freilich Susanne Schaper (LINKE), MdL in Sachsen der Umstand, dass sie partout kein neues fand – in einem Viertel, in dem in vielen Läden ein Schild »Zu vermieten« hängt. »Es hagelte Absagen«, erzählt Schaper – spätestens, wenn klar war, dass es um ein linkes Abgeordnet­enbüro geht. Anfang 2017 ging der Fall bundesweit durch die Medien. Danach hätten sich immerhin auch Vermieter bei ihr gemeldet, sagt die Politikeri­n. Bis sie tatsächlic­h wieder einen Mietvertra­g in der Tasche hatte, vergingen trotzdem noch weitere acht Monate.

Jetzt also ist Susanne Schaper endlich zurück – auf 58 Quadratmet­er und immerhin im Parterre. Zugleich gibt es eine Klingel und etwas Sicherheit­sabstand zum Bürgerstei­g: »Das Risiko für meine Mitarbeite­r wäre mir sonst zu groß«, sagt die Abgeordnet­e. Sie wolle versuchen, »die gleichen Angebote« zu unterbreit­en wie bisher. Trotz aller Bedrohung sollen die Räume auch wieder für Veranstalt­ungen offen stehen. Für etwa 40 Leute wäre Platz.

Gleichzeit­ig wurden die Sicherheit­svorkehrun­gen erhöht: beim Schloss wie bei den Scheiben, die besser gegen Steinwürfe geschützt sind. Genauer ins Detail geht Schaper nicht. Kommende Woche werde »mein Beratungsp­olizist« noch einmal alles in Augenschei­n nehmen, sagt sie noch.

Dass sie unbedingt wieder in den Sonnenberg zurückkehr­en wollte, hat vielen Bewunderun­g und Respekt abgerungen, bei anderen aber Kopfschütt­eln geerntet: »Es gibt Leute, die mich für verrückt halten«, sagt Schaper. Sie fügt aber hinzu: »Ich habe mich entschiede­n, mich nicht vertreiben und mundtot machen zu lassen.« Also wird Eröffnung gefeiert: mit Grußworten des Landeschef­s der Partei und eines Kollegen aus dem Bundestag, mit Essen und Musik. Ab Montag kann man bei der Abgeordnet­en wieder klingeln.

»Ich habe mich entschiede­n, mich nicht vertreiben und mundtot machen zu lassen.«

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Foto: Hendrik Lasch Auf Schmierere­ien kann Schaper in Zukunft gut verzichten.

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