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Prag liefert Verdächtig­en aus

Ermittler können Verschlepp­ung des vietnamesi­schen Ex-Politikers in Berlin rekonstrui­eren – erste Festnahme in Tschechien

- Von Marina Mai

Mit Hochdruck läuft die Fahndung nach den Entführern des vietnamesi­schen Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh aus Berlin. Auch das Auswärtige Amt hat sich eingeschal­tet. Im Fall der spektakulä­ren Entführung des vietnamesi­schen Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh aus Berlin nach Hanoi gibt es eine erste Festnahme. Frauke Köhler, Sprecherin der Bundesanwa­ltschaft, bestätigt die Festnahme des 46-jährigen vietnamesi­schen Staatsbürg­ers Long N.H. aus Prag, der am Donnerstag aus der tschechisc­hen Hauptstadt nach Deutschlan­d ausgeliefe­rt wurde. Er befindet sich in Untersuchu­ngshaft. Die Tatvorwürf­e: Geheimdien­stliche Agententät­igkeit auf dem Gebiet der Bundesrepu­blik und Beihilfe zur Freiheitsb­eraubung. Ihm droht eine mehrjährig­e Haftstrafe. Weitere Verdächtig­e werden mit Hochdruck gesucht. Augenzeuge­n zufolge war der entführte Trinh Xuan Thanh von mindestens drei Männern gekidnappt worden.

Am 23. Juli war der vietnamesi­sche Ex-Politiker Trinh Xuan Thanh im Berliner Tiergarten durch den vietnamesi­schen Geheimdien­st entführt und nach Vietnam gebracht worden. Dort muss sich der 51-Jährige wegen eines Wirtschaft­sdeliktes verantwort­en. In Deutschlan­d hatte er Asyl beantragt. Er selbst sieht sich als Opfer innerhalb der Kommunisti­schen Partei Vietnams.

Der in Prag festgenomm­ene Mann war laut Bundesanwa­ltschaft Mieter des Autos, in das das Opfer im Tiergarten gewaltsam gezogen wurde. Es handelt sich um einen Leihwagen eines vietnamesi­schen Verleihers aus Prag. Der VW wurde nach Angaben der Autovermie­tung bereits wenige Tage nach der Tat in Prag sichergest­ellt und den deutschen Ermittlern übergeben. Der Siebensitz­er verfügt über GPS, so dass sich die Fluchtrout­e genau rekonstrui­eren lässt. Die Bundesanwa­ltschaft hatte bereits erklärt, dass der Entführte zuerst aus dem Tiergarten in die vietnamesi­sche Botschaft nach Berlin gebracht wurde. Der Weitertran­sport des Opfers ab Berlin zu einem osteuropäi­schen Flughafen erfolgte allerdings Recherchen des »nd« zufolge nicht mit dem selben Fahrzeug, sondern mit einem Krankenwag­en. Weiter ging es mit einem eigens gechartert­en Sonderflug­zeug, das als Krankentra­nsport getarnt war, nach Hanoi. Die dortige Regierung behauptet bis heute, Trinh Xuan Thanh hätte sich freiwillig gestellt. Die Bundesregi­erung spricht hingegen von einer Entführung durch den vietnamesi­schen Geheimdien­st.

Gegenüber der in Berlin erscheinen­den vietnamesi­schen Onlinezeit­ung »thoabao.de« erklärte die Verleiherf­irma in Prag, dass der Festgenomm­ene knapp einen Monat zuvor dasselbe Fahrzeug schon einmal ausgeliehe­n hatte und mehr als 2000 Kilometer damit gefahren sei. Auch diese Fahrt lässt sich mit Hilfe des GPS rekonstrui­eren. Die Ermittler gehen dem Vernehmen nach davon aus, dass die Entführung damals vorbereite­t wurde.

Den Berichten mehrerer Augenzeuge­n in Prag zufolge haben die tschechisc­hen Ermittler letzte Woche mit einem Sondereins­atzkommand­o das Büro des Festgenomm­enen in Prag gestürmt. Er betrieb ein Büro für Geldtransf­erleistung­en. Dort konnten Vietnamese­n aus Tschechien und anderen europäisch­en Ländern in einer juristisch­en Grauzone Geld zu ihren Angehörige­n nach Vietnam schicken.

Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) hatte im Zusammenha­ng mit der Entführung durch einen ausländisc­hen Geheimdien­st auf deutschem Boden von einem eklatanten Rechtsvers­toß gesprochen und Hanoi zu Gesprächen aufgeforde­rt. Eine erste Gesprächsr­unde soll bereits Ende letzter Woche im Auswärtige­n Amt in Berlin stattgefun­den haben, wie »nd« aus dem Umfeld der vietnamesi­schen Botschaft in Berlin erfuhr. Eine hochrangig­e Delegation des Hanoier Außenminis­teriums sei in die deutsche Hauptstadt gereist. Den Angaben zufolge seien weitere Gesprächsr­unden vereinbart worden. Das Auswärtige Amt äußerte sich nicht dazu. Deutschlan­d hatte die Rückkehr des Entführten nach Berlin gefordert. Bleibt die Bundes- regierung hier nicht hart, kann der Fall für andere Staaten der Welt als Einladung verstanden werden, ihre gesuchten Staatsbürg­er von Deutschlan­d aus zu entführen.

Der Weitertran­sport des Opfers Trinh Xuan Thanh ab Berlin zu einem osteuropäi­schen Flughafen erfolgte mit einem Krankenwag­en.

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