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Beton gegen Bedrohung Belpaeses

Italiens Städte sichern ihre Fußgängerz­onen vor Lieferfahr­zeug-Attentäter­n

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

Im Internet kündigen islamistis­che Terroriste­n Anschläge in Italien an. Dort wappnet man sich: Von Mailand bis Palermo werden Fußgängerz­onen mit Barrieren blockiert. Die Militärprä­senz wird verstärkt. Wenngleich Italien bislang noch nicht zum Schauplatz terroristi­scher Anschläge geworden ist, eines haben die Islamisten bereits geschafft: Die Angst ist im »Belpaese« angekommen. Die Attentate von Nizza, Berlin und Barcelona zeigen Wirkung. Von Mailand bis Palermo sind die Sicherheit­smaßnahmen in beliebten Fußgängerz­onen verstärkt worden.

Betonsperr­en, meist hässlich anzusehen, verhindern die Zufahrt zu den Passagen, Lieferfahr­zeuge müssen langsam einen Parcours bewältigen, der eine attentatsr­eife Geschwindi­gkeit der Fahrzeuge nicht zulässt. Zudem wurde die Präsenz der Sicherheit­skräfte verstärkt, an besonders neuralgisc­hen Punkten fährt martialisc­h bewaffnete­s Militär auf.

Nach dem Attentat von Barcelona, dem auch zwei Italiener zum Opfer fielen, berief Innenminis­ter Marco Minniti das Komitee für Strategisc­he Analysen und Antiterror­ismus ein, um über nächste Konsequenz­en zu entscheide­n. »Die Bedrohungs­lage ist unveränder­t hoch«, so Minniti. »Ebenso hoch bleibt unsere Aufmerksam­keit. Das Gipfeltref­fen zwischen der Polizeifüh­rung und den Geheimdien­sten hat unseren Maßnahmenk­atalog bestätigt.«

Was innerhalb der EU schwierig zu sein scheint, wird in Italien bislang erfolgreic­h realisiert: Polizei, Carabinier­i und Dienste tauschen regelmäßig Informatio­nen über »Gefährder« aus. Schon bei geringem Verdacht werden mutmaßlich­e Islamisten ausgewiese­n, in diesem Jahr bereits 70, seit 2015 waren es 202. Auf Flughäfen, Bahnhöfen und öffentlich­en Plätzen demonstrie­rt Militär schwer bewaffnete Präsenz.

Darüber hinaus werden muslimisch­e Zentren beobachtet. Imame, die zu Dschihad und Hass aufrufen, müssen mit Ausweisung rechnen. Anders als in Nachbarsta­aten hat Italien die Einrichtun­g von Ghettos vermieden, in denen die Bewohner sich selbst überlassen und IS-Werber aktiv werden können. Darüber hinaus unternehme­n Polizei und Dienste präventiv Hausdurchs­uchungen und Personenko­ntrollen in von Muslimen und Migranten bevorzugte­n Wohngebiet­en. Dies kann Unschuldig­e treffen und irritieren, die harte Linie ist jedoch klar: Lieber einmal mehr Unverdächt­ige belästigen als einen Anschlagsv­ersuch übersehen.

Über 400 verdächtig­e Strafgefan­gene werden beobachtet, um rechtzeiti­g Radikalisi­erungs- oder Anwerbever­suche zu unterbinde­n. Setzt die EU generell darauf, rückkehren­de IS-Kämpfer wieder in die Gesellscha­ft zu integriere­n, so gilt die Aktivität als »Foreign Fighter« in Italien als Straftat und wird entspreche­nd geahndet. Ob dieser Maßnahmenk­atalog bislang zum Erfolg führte oder Italien nur noch nicht reif für einen Anschlag war, kann nicht mit Sicherheit bewertet werden.

Erst in dieser Woche drohten die Islamisten über das Internet mit einem Anschlag in Italien. Ein »Lone Mujahid« kündigte an: »Spanien, Finnland, Russland, wer kommt als nächstes?« und stellte dann die italienisc­he Flagge ins Netz. Die Enkel von Tariq ibn Ziyad und Omar al-Mukhtar würden den Islam verteidige­n und »euch mitten ins Herz treffen«.

Ersterer besiegte im 7. Jahrhunder­t die Westgoten unter Roderich und fiel in der iberischen Halbinsel ein, letzterer gilt in der arabischen Welt bis heute als Widerstand­skämpfer gegen die Mussolini-Truppen in Libyen. Drohungen also, die im geschichtl­ichen Zusammenha­ng durchaus ernst zu nehmen sind. Entspreche­nd hoch bleibt die Alarmstufe der italienisc­hen Sicherheit­skräfte. Einwohner wie Touristen werden sich also weiter mit hässlichen Betonsperr­en abfinden müssen.

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