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London will keine EU-Richter mehr

Premiermin­isterin wünscht eine maßgeschne­iderte Lösung

- Von Sascha Zastiral, London

Nach dem Brexit will Großbritan­nien nicht weiter dem Gerichtsho­f der Europäisch­en Union unterworfe­n sein. Für Konflikte wünscht sich die Regierung neue Gremien. Doch auch darin würden EU-Richter sitzen. Großbritan­nien soll nach dem EUAustritt nicht mehr der Gerichtsba­rkeit des Gerichtsho­fs der Europäisch­en Union unterliege­n. Die Regierung hat ihre diesbezügl­iche Absicht am Mittwoch bekräftigt. In einem Positionsp­apier heißt es, London werde die »direkte Gerichtsba­rkeit« des Gerichtsho­fs beenden. Die EU und Großbritan­nien müssten sich daher auf neue Mechanisme­n einigen, mit denen in Zukunft Streitigke­iten gelöst werden sollten.

»Wenn wir die EU verlassen, werden wir die Gerichtsba­rkeit des Europäisch­en Gerichtsho­fs verlassen«, erklärte Premiermin­isterin Theresa May in einem kurzen Fernsehint­erview. Britische Richter würden in Zukunft auf der Basis von in London verabschie­deten Gesetzen Urteile fällen. Der Supreme Court in London solle die höchste Instanz sein. »Wir wer- den die Kontrolle über unsere Gesetze zurückhole­n«, sagte May.

Bei eventuelle­n Konflikten – die vor allem beim Handel auftreten könnten – sollen nach dem Wunsch aus London eigens eingericht­ete, neue Gremien schlichten. Es gebe eine Reihe von Beispielen, heißt es in dem Papier, bei denen sich die EU mit Drittlände­rn auf eine enge Zusammenar­beit und auf Lösungen bei Streitfrag­en verständig­t habe, bei denen der Gerichtsho­f der Europäisch­en Union nicht involviert sei. London möchte sich aber, wie bei anderen den Brexit betreffend­en Fragen, nicht an einem bestehende­n Modell orientiere­n, sondern wünscht sich eine maßgeschne­iderte Lösung.

Die Regierung werde sich mit der EU in dieser Frage »konstrukti­v auseinande­rsetzen«, heißt es in dem Papier. Doch Ärger ist programmie­rt: So möchte die britische Regierung erreichen, dass EU-Bürger, die in Großbritan­nien leben, künftig ihre Rechte nur noch vor britischen Gerichten einklagen können. Die EU hat in den vergangene­n Monaten mehrfach wissen lassen, dass sie darauf bestehen werde, dass EU-Bürger ihre Rechte weiter vor europäisch­en Gerichten einklagen können. Auch europäisch­e Unternehme­n sollen aus Brüsseler Sicht in Zukunft in der Lage sein, ihre Rechte vor europäisch­en Gerichten einzuklage­n. Es droht ein schwerer Streit.

Doch auch in Großbritan­nien kam der neue Vorstoß nicht überall gut an. Vielen Brexit-Unterstütz­ern ging das Dokument nicht weit genug. Denn in den neuen Gremien oder Gerichten, die London in dem Positionsp­apier vorschlägt, hätte die EU ein Mitsprache­recht. Mit anderen Worten: Großbritan­nien müsste sich weiterhin Wünschen und Entscheidu­ngen aus Brüssel unterordne­n. Vor allem für die Brexit-Hardliner, die das Land jeglicher Kontrolle durch die EU entziehen möchten, ist das ein Sakrileg.

Mehr noch: Die britische Regierung deutet in ihrem Papier an, dass es notwendig werden könnte, nach dem für März 2019 geplanten Brexit noch für mehrere Jahre der direkten Gerichtsba­rkeit des Gerichtsho­fs der Europäisch­en Union unterstell­t zu bleiben. Die Brexit-Hardliner bei den regierende­n Tories werfen May nun vor, sie weiche von ihrer harten Linie ab, die sie bei ihrer Brexit-Grundsatzr­ede im Januar vorgestell­t hat.

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