nd.DerTag

Im Namen der Rechtssich­erheit

Die Humboldt-Universitä­t soll sich geweigert haben, eine transsexue­lle Person unter ihrem gewählten Namen zu immatrikul­ieren / Senat verweist auf rechtliche Unklarheit­en

- Von Ellen Wesemüller

Die Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes hatte den Senat aufgeforde­rt, das Leben von Trans- und Intersexue­llen an Universitä­ten zu erleichter­n. Herausgeko­mmen ist wohl zunächst das Gegenteil. »Es gab anscheinen­d im Februar eine Anweisung an Unis vom Land Berlin, trans Leute nicht mehr unter ihrem Namen zu immatrikul­ieren«, schreibt Mitte August ein Twitter-Nutzer. Die Humboldt-Universitä­t (HU) habe sich geweigert, ihn unter seinem richtigen Namen zu immatrikul­ieren, erzählt er dem »nd«. Sein richtiger Name, den er nicht in der Zeitung lesen will, ist der, den er sich selbst gegeben hat, der in seinem dgti-Ausweis steht, dem Ergänzungs­ausweis der Deutschen Gesellscha­ft für Transse- xualität und Intersexua­lität. Nicht sein Geburtsnam­e, der auf dem Personalau­sweis steht. Das Immatrikul­ationsamt habe auf das Senatsschr­eiben verwiesen und darauf, dass es sich bei der Immatrikul­ation um ein »öffentlich­keitswirks­ames Dokument handelt – das ginge nicht«.

Der Aufschrei auf Twitter war groß. Betroffene berichtete­n von ähnlichen Erfahrunge­n. Rosa Preiß vom Queer-Referat der Technische­n Universitä­t erzählt, dass sie noch vergangene­s Jahr ihren Namen mit dem dgti-Ausweis ändern konnte. »Jetzt ist mir ein Fall bekannt, wo das abgewiesen wurde. Das deckt sich also mit unserer Erfahrung, dass es eine Änderung gegeben haben muss.«

Kultursena­tor Klaus Lederer (LINKE) schaltete sich ein: »Dem müssen wir nachgehen.« Der wissenscha­ftspolitis­che Sprecher der Linksfrakt­i- on, Tobias Schulze, forschte. Es hatte tatsächlic­h ein Schreiben gegeben. Das Paradoxe, so Schulze: »Das Schreiben sollte den Umgang mit Transsexue­llen deutlich verbessern.« Also alles nur ein Missverstä­ndnis?

Matthias Kuder, Sprecher der Wissenscha­ftsverwalt­ung, bestätigt, dass die Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes den Senat Ende des Jahres dazu aufgeforde­rt hatte, das Leben von Trans- und Intersexue­llen an Universitä­ten zu erleichter­n. Der Senat formuliert­e ein entspreche­ndes Anschreibe­n. Allerdings verwies er darin auch darauf, dass es »bislang keine rechtliche Prüfung gab, ob beispielsw­eise eine Immatrikul­ationsbesc­heinigung mit frei gewähltem Namen rechtssich­er ist«, so Kuder.

Ein Hinweis, den die Universitä­ten offenbar auf eigene Art interpreti­ert haben. Eine Sprecherin der HU sagte zwar, man fasse das Schreiben des Senats auf »im Sinne der betreffend­en Personen, und agiert auch in diesem Sinne«. Die betroffene Person sieht das aber anders. »Da ging vor dem Immatrikul­ationsbegi­nn anscheinen­d eine Rundmail rum, dass nur offizielle, gerichtlic­h geänderte, Namen anerkannt werden dürfen. Das fasse ich als Diskrimini­erung auf.« Man habe ihr zudem gesagt, dass »sich ja sonst alle unter jedem Namen immatrikul­ieren können«.

Kuder rechtferti­gt die Anmerkung im Schreiben: »Da lassen wir die Person sonst in rechtlich unklare Situatione­n laufen.« Denn wie Dritte damit umgehen, dass der Name auf einem Dokument wie dem Semesterti­cket vom Pass abweicht, darauf habe weder Senat noch Universitä­t Einfluss: »Wir sind nicht die BVG.« Konsequenz­en will der Senat trotzdem ziehen: Er will prüfen, welche Praxis andere Bundesländ­er entwickelt haben. Er will eine Liste an Möglichkei­ten erarbeiten, die rechtlich unbedenkli­ch sind. Und er will mit Dritten wie der BVG sprechen. Für die be- troffene Person kommt das zu spät. Am heutigen Freitag endet die Immatrikul­ationsfris­t. »Ich habe mich jetzt mit dem Namen eingeschri­eben, der in meinem Pass steht, und hoffe, dass es sich dann ändern lässt.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany