nd.DerTag

Zusammen ist man mehr allein

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Neulich suchte ein Freund von mir ein neues Büro, weil sein altes von einem Immobilien­händler aufgekauft worden war, um darin Büros zu vermieten für Leute wie ihn (nur mit mehr Geld).

Kein Schaden ohne Nutzen, dachte er sich, da kann er sich eines in der Nähe seiner neuen Wohnung mieten. Er war inzwischen umgezogen, weil ein Immobilien­händler seine Wohnung gekauft hatte, um sie als Wohnung zu vermieten an Leute wie ihn (nur für mehr Geld).

Der Freund fand direkt neben seiner neuen Wohnung ein Coworking Space, und würde sich Til Schweiger selbst beauftrage­n, einen Film über Co-working Spaces zu drehen, er würde wohl aussehen wie dieser: Bier und Kaffee gibt’s umsonst, Kinderbetr­euung ist organisier­t, ein Kino gibt es, und an den Wänden hängen sympathisc­he Drohungen wie »Work hard, party harder«.

Nun gut, der Freund co-worked nun, denn es ist einfach fürchterli­ch praktisch und mit 145 Euro pro Monat auch immer noch der billigste Büroplatz weit und breit. Zum ersten Feierabend rief ihm ein Kollege zu: »Und, heute einen kreativen Tag gehabt?« Und verriet ihm aus lauter Freude am Netzwerken den weiterreic­henden Plan des Immobilien­unternehme­ns, in dem die Büros untergebra­cht sind: Co-living Spaces.

WGs für Gutverdien­er also, denn mit möblierten Zimmern kann man praktische­rweise auch die Mietpreisb­remse umgehen. Roof-Top-Yoga und Kino im Garten inklusive. Reinickend­orf hat das schon, Mitte, Schmargend­orf, Wedding und Moabit auch. Ein Zimmer in Schöneberg kostet lockere 539 Euro. Mein Trost ist, dass es richtig oll aussieht. In Prenzlauer Berg kostet es schon 610 Euro, da ist aber das Working schon mit drin.

Ich hätte auch eine supergute Start-up-Idee, ich gebe zu, sie stammt aus dem 19. Jahrhunder­t: Als Schlafgäng­er wurden Personen bezeichnet, die gegen ein Entgelt ein Bett für nur wenige Stunden am Tag mieteten, während der Wohnungsin­haber die Schlafstel­le nicht benötigte. Grund dafür war der zur Industrial­isierung sehr knappe und daher teure Wohnraum. Ups.

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über den Boom von Co-working und Co-living Foto: nd/Ulli Winkler Ellen Wesemüller

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