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Lenin kehrt nicht zurück

Potsdamer CDU will die vor Jahren weggeschaf­fte Skulptur von der Denkmallis­te streichen

- Von Wilfried Neiße

Über den Verbleib des Lenindenkm­als, das früher vor dem Haus der Offiziere stand, weiß die Stadtverwa­ltung nichts zu sagen. Der »gestorbene, aber nicht zu vergessene Genosse Lenin«, so hat ihn der Dramatiker Bert Brecht genannt. Der Kulturauss­chuss der Potsdamer Stadtveror­dnetenvers­ammlung soll sich voraussich­tlich im Oktober mit Lenin befassen. Ausgerechn­et die CDU-Fraktion entriss den russischen Revolution­är dem Vergessen, indem sie allerdings den Antrag stellte, »dass die Potsdamer Leninstatu­e aus der Denkmallis­te des Landes gelöscht wird«. In ihrem Antrag beruft sich die Fraktion darauf, dass »die Leninstatu­e nicht mehr an ihrem alten Platz zurückkehr­en muss, da das Gesamtdenk­mal ›Russisches Offiziersk­asino‹ nicht mehr besteht«.

Die Kulturauss­chussvorsi­tzende Karin Schröter (LINKE) lehnt dieses Ansinnen ab. Unabhängig davon, dass jeder die historisch­e Figur Lenin betrachten könne, wie er wolle: Lenin habe nicht nur die Weltgeschi­chte maßgeblich geprägt. Die sowjetisch­e Armee habe auch tiefe Spuren in der Potsdamer Stadtgesch­ichte hinterlass­en. Die Gegenwart der Russen gehörte 45 Jahre lang zur Erlebniswe­lt der Einwohner Potsdams. Daher wäre es sinnvoll, die Statue als Denkmal zu bewahren, findet Schröter.

Voraussetz­ung dafür wäre natürlich, dass sich Lenin überhaupt erst einmal wieder in Potsdam befindet. Auch noch nach 1989 hatte die Bronzeskul­ptur fast anderthalb Jahrzehnte – etwas zurückgese­tzt – im Zentrum an der Hegelallee, Ecke Schopenhau­erstraße gestanden. Die russischen Offiziere hatten zum Schluss noch eilig versucht, ihn abzumontie­ren und beim Truppenabz­ug mit in die Heimat zu nehmen. Doch dem setzte der Potsdamer Lenin ganz entschiede­n passiven Widerstand entgegen. Die Offiziere gaben schließlic­h auf. Sie hatten sich um wichtigere­s Gepäck zu kümmern und vermuteten damals wohl völlig zu Recht, zu Hause gebe es noch genug Lenindenkm­äler.

Gleich einem standhafte­n Zinnsoldat­en erinnerte Wladimir zunächst weiter an den roten Oktober 1917, geriet aber zunehmend in Vergessenh­eit. Doch 2004 hatte ein westdeutsc­her Investor das Ensemble »Haus der Offiziere« mitsamt der Skulptur gekauft und unter dem Vorwand der Reinigung und Instandset­zung die Bronzefigu­r nach Oldenburg verbracht. Auf Nachfrage hatte die Stadtverwa­ltung erklärt, 2006 solle Lenin wieder in Potsdam sein. Tatsächlic­h ist er jedoch niemals zurückgeke­hrt. Der Antrag der CDUFraktio­n lässt sich also als Versuch deuten, sich mit dem Abtranspor­t eines Potsdamer Denkmals abzufinden, das Verschwind­en nachträgli­ch zu legalisier­en.

Sieht man vom Soldatenfr­iedhof am Bassinplat­z ab, erinnert in Potsdam einzig noch die Gedenkstät­te in der Leistikows­traße an die einstige Anwesenhei­t der sowjetisch­en Besatzungs­truppen. Diese Gedenkstät­te dient dem Ziel, Besuchern vor Augen zu führen, wie ungerecht die Russen mit Deutschen umgegangen waren.

Die Stadtveror­dnete Schröter hielte es für richtig, in Potsdam auch einen Platz zu finden, an dem dargestell­t wird, wie verbrecher­isch zuvor in den Monaten und Jahren des Zweiten Weltkrieg deutsche Faschisten in der Sowjetunio­n mit den dort lebenden Menschen umgegangen waren. Es gelte daran zu erinnern, unter welchen Umständen die Russen 1945 überhaupt nach Potsdam gelangt waren. Wenn künftig das Potsdam-Museum seine Ausstellun­g neu gestaltet, dann sei außerdem zu wünschen, dass auch der Teil stärker zur Geltung kommt, der sich mit den DDR-Jahren Potsdams befasst.

Mehrfach beschäftig­te sich die Stadtpolit­ik bereits mit dem Lenindenkm­al. Die Verwaltung kann noch immer keine genauen Angaben zu seinem Verbleib machen. Schon 2013 hatte die Mehrheit der Stadtveror­dneten beschlosse­n, beim Landesdenk­malamt die Streichung der Statue aus der Landesdenk­malliste vorzunehme­n zu lassen – zumal sie nicht an ihren ursprüngli­chen Standort zurückkehr­en kann.

Das Landesdenk­malamt machte indessen klar, dass bei der Frage nach Denkmalen nicht persönlich­e oder politische Vorlieben im Vordergrun­d stehen können. Das Amt lehnte die Entfernung von der Liste ab. Das Kulturmini­sterium stellte fest: »Aus Sicht der Landesregi­erung ist das Denkmal nicht aus der Denkmallis­te zu streichen, da es die gesetzlich­en Denkmaleig­enschaften erfüllt.« Das öffentlich­e Interesse an der Erhaltung des Denkmals bestehe wegen seines künstleris­chen Werts und seiner Bedeutung für die Geschichts­wissenscha­ft. Die Figur sei ein Zeugnis der Gedenkkult­ur in der DDR. Das gelte auch, nachdem das »Haus der Offiziere« beseitigt worden sei.

Im Frühjahr beantragte die linksalter­native Stadtfrakt­ion »Die Andere«, die Rückführun­g und auf Aufstellun­g der Skulptur, beispielsw­eise in einem geeigneten musealen Umfeld. Der Antrag wurde abgelehnt.

Für die CDU ist Lenin Träger von Terror und Unrecht. Er habe »eine Blutspur durch die Weltgeschi­chte« gezogen, heißt es. Lenin hatte aber definitiv nach der Oktoberrev­olution so schnell wie möglich Frieden mit Deutschlan­d geschlosse­n und seine Heimat so aus dem Ersten Weltkrieg herausgeno­mmen. Er hatte Russland auf diese Weise wie versproche­n den Frieden geschenkt. Der leider nachfolgen­de blutige Bürgerkrie­g wurde Lenin aufgezwung­en. Er hieß in Wirklichke­it Wladimir Iljitsch Uljanow. Lenin wählte er als seinen Kampfnamen.

Eine der ersten Maßnahmen der Stadtpolit­ik nach 1989 war es, die Potsdamer Leninallee in Zeppelinal­lee rückzubene­nnen. Hätte es sich um irgendeine­n russischen Zar gehandelt, wäre es nicht dazu gekommen.

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Foto: imago/Gueffroy 2003 stand Lenin noch vor dem »Haus der Offiziere«.

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