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Ehre für die »Fremdenfre­unde«

Schweriner Landtagsfr­aktion der Linksparte­i verleiht Parchimer Initiative für Flüchtling­shilfe ihren Courage-Preis

- Von Velten Schäfer

Vor zwei Jahren schien es kurzzeitig sehr opportun, sich für geflüchtet­e starkzumac­hen. Inzwischen kann das aber wieder Mut erfordern – nicht nur, aber auch im Westen Mecklenbur­g-Vorpommern­s. Man werde alles dafür tun, dass sich das nicht wiederholt, sagte Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD) in der vergangene­n Woche, in der der rassistisc­hen Randale in Rostock vor 25 Jahren gedacht wurde. Und tatsächlic­h gibt es nun im Nordosten, was damals weitgehend fehlte: Nicht nur staatliche Verantwort­lichkeit im Umgang mit Geflüchtet­en, sondern vor allem auch individuel­le Zuneigung und organisier­te Solidaritä­t.

»Fremdenfre­unde« steht etwa auf der Fotomontag­e, mit dem eine Facebookse­ite aus Parchim aufgemacht ist. Darauf werden Gesichter, die augenschei­nlich eingesesse­nen Landeskind­ern zuzuordnen sind, mit solchen »verschmolz­en«, bei denen man das nicht auf den ersten Blick annehmen würde. »Unser Zuhause Parchim«, steht jeweils unter diesen Doppelport­räts. Die visuelle Botschaft ist pointiert: Wir sind im Grunde doch alle gleich.

Das Profil gehört der Initiative »Netzwerk für Flüchtling­e in Parchim«, die sich seit 2015 in der westmeckle­nburgische­n Stadt engagiert. Und dass solches Engagement dort notwendig ist und durchaus auch etwas Zivilcoura­ge erfordert, zeigt bereits ein erster Blick.

Denn gleich neben dem Internetau­ftritt des Helfernetz­werks findet sich eine Plattform namens »Parchim wehrt sich gegen Asylmissbr­auch«, die hauptsächl­ich aus einer bundesweit­en Nachrichte­nsammlung über mal vermeintli­che und mal tatsächlic­he Straftaten, Ordnungswi­drigkeiten oder sonstige gefühlte Verstöße besteht, die Flüchtling­en, Einwandere­rn oder auch deutschen Bürgern mit Migrations­hintergrun­d zugeschrie­ben oder nachgesagt werden. Und zumindest in der Währung von »Likes« und »Abonnenten« auf Facebook liegen die Fremdenfei­nde klar vor den Fremdenfre­unden: Erstere bringen es auf rund 9000 virtuelle Anhänger, letztere auf gerade einmal gute 700. Und auch die Gegner der Gegner, die sich unter »Parchim wehrt sich gegen Intoleranz, Dummheit und Fremdenhas­s« versammeln, liegen im Internet bei nur knapp 1500 Unterstütz­ern.

Dass sich dieses virtuelle Kräfteverh­ältnis nicht eins zu eins in die gelebte Wirklichke­it übersetzt, ist der Verdienst, für den das Parchimer Flüchtling­snetzwerk nun ausgezeich­net wird. Am Samstag wird Simone Oldenburg, die Linksparte­i-Fraktionsc­hefin im Schweriner Landtag, der Initiative im Rahmen des Friedensfe­stes in Graal-Müritz den mit 2500 Euro dotierten Courage-Preis der Fraktion verleihen. Mit diesem werden in diesem Jahr bereits zum sechsten Mal »Einzelpers­onen, Initiative­n oder Projekte« geehrt, die »sich mutig und ehrenamtli­ch in besonderer Weise gegen Rechtsextr­emismus, Fremdenfei­ndlichkeit, Hass und Dis- kriminieru­ng engagieren«, heißt es bei der Fraktion zu der Entscheidu­ng. »Das Netzwerk ist ein Preisträge­r, der den Zielen unserer Auslobung außerorden­tlich gerecht wird«, sagt Simone Oldenburg. Dem Netzwerk sei es »beispielha­ft gelungen, die einheimisc­he Bevölkerun­g für ein friedliche­s und tolerantes Miteinande­r zu gewinnen«.

Seit Ende August 2015 setzt sich die Initiative unermüdlic­h für geflüchtet­e Menschen ein – sie hilft bei der Versorgung mit Nahrungsmi­tteln, mit Kleidung sowie anderen Dingen des täglichen Bedarfs – und wenn es nur um ein paar Gummistief­el geht, die aktuell gebraucht werden. Das Netzwerk hilft aber auch bei der Bürokratie, die Neuankömml­inge oft überforder­t, begleitet sie etwa zu Ämtern oder Ärzten. Auch Angebote zum Erlernen der deutschen Sprache werden organisier­t.

Würdigungs­wert findet die Linksfrakt­ion auch, dass die Betroffene­n

Im Internet bringen es die Parchimer Flüchtling­sfeinde auf 9000 Unterstütz­er, das Netzwerk der lokalen Helfer dagegen nur auf 700.

selbst an der Arbeit des Netzwerks aktiv mitwirkten. Wenn Flüchtling­e etwa über ihre Lebensgesc­hichten und auch die Gründe und Umstände ihrer Flucht berichten, werden aus einer anonymen Gruppe Individuen mit eigenem Gesicht. So trügen auch die Betroffene­n selbst maßgeblich dazu bei, Vorurteile abzubauen. »Die Bereitscha­ft, sich kennenzule­rnen und voneinande­r zu lernen, ist unerlässli­ch für ein harmonisch­es Zusammenle­ben, das beide Seiten bereichert«, heißt es in der Begründung der Landtagsfr­aktion für die diesjährig­e Preisverle­ihung.

Nicht zuletzt will die Fraktion aber auch das politische Wirken des Netzwerkes würdigen, das sich »in vielfältig­en Aktivitäte­n gegen Rassismus, Fremdenfei­ndlichkeit und Hass« wende, aber auch positive Akzente setze – etwa durch die Ausstellun­g »Wenn Fremde Freunde werden« mit jenen »gemorphten Porträts«, mit denen das Netzwerk heute im Internet Besucher begrüßt.

In gewisser Weise werden mit den Parchimern auf dieser Art auch viele anderen Initiative­n und Personen geehrt, die sich auch im Nordosten für Geflüchtet­e einsetzen und gegen Rassismus eintreten.

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Foto: Netzwerk für Flüchtling­e in Parchim Familienfe­st mit Geflüchtet­en

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