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Echt kurios

Philip Dröge über ein wahres Niemandsla­nd

- Von Ernst Reuß

Neutral-Moresnet, auf Deutsch Altenberg, ein 3,4 Quadratkil­ometer kleiner Landstrich in der Nähe von Aachen, war 1816 bis 1919 ein Niemandsla­nd zwischen den Niederland­en und Preußen. Die Bevölkerun­g wuchs in dieser Zeit rasant um das 20-fache, umfasste aber dennoch nie mehr als 5000 Einwohner.

Während des Wiener Kongresses konnten sowohl Preußen als auch die Niederland­e sich nicht einigen wem der Landstrich gehören sollte, weil ausgerechn­et dort eine wirtschaft­lich bedeutsame Zinkmine lag. Wegen Napoleons unerwartet­er Flucht von der Insel Elba und seiner 100-tägigen Herrschaft, musste dann plötzlich alles sehr schnell gehen. Die Verträge wurden unterzeich­net, Moresnet war nun Niemandsla­nd und wurde zu einem Eldorado für Schmuggler, Abenteurer sowie Steuer- und Kriegsdien­stflüchtli­nge – bis es im Ersten Weltkrieg von den Deutschen besetzt und danach Belgien zugeschlag­en wurde. Mit dem Versailler Vertrag endete am 10. Januar 1920 offiziell die mehr als 100 Jahre dauernde kuriose Episode, in der Moresnet – ähnlich dem Goldrausch in Nordamerik­a – einen regelrecht­en Zinkrausch erlebte. Mit den herbeiströ­menden Scharen der Glücksritt­er schossen Kneipen, illegale Schnapsbre­nnereien, Kasinos und Bordelle aus dem Boden. Der Versuch, zumindest das Glückspiel – nach dem Vorbild von Monaco – in legale Bahnen zu lenken, scheiterte am Widerstand Preußens. Ein einziger Gendarm sollte in Moresnet für Recht und Ordnung sorgen – ein unmögliche­s Unterfange­n.

Der Niederländ­er Philip Dröge versichert im Vorwort seines interessan­ten wie unterhalts­amen Buches, das nichts erfunden ist, alle Ereignisse und Personen auf soliden Quellen beruhen. Heute erinnert in Moresnet, das fast die Hauptstadt des Esperanto geworden wäre, ein kleines Museum und ein Denkmal an das Kuriosum der Geschichte.

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