Terror & Terrorismus
Walter Laqueur hält die Vermutung des Arztes und Kriminologen Cesare Lombroso (1835 – 1909), der die Taten der bombenwerfenden Anarchisten des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit deren Vitaminmangel erklärte, für eine ebenso »lächerliche Idee« wie die heutigen Erklärungen der Ursachen des Terrorismus. Er lehnt es deshalb ab, den Begriff »Terrorismus« zu definieren und versteht das weltweit auftretende Phänomen abwechselnd als Resultat von religiösem Fanatismus oder psychischer Deformation. Auf der entgegengesetzten Seite des Forschungsspektrums bietet der amerikanische Soziologe Axel P. Schmidt nicht weniger als 109 Terror-Definitionen mit 22 semantischen Elementen an. Auf keinem anderen sozialwissenschaftlichen Forschungsfeld herrscht eine solche Beliebigkeit und Konfusion wie auf dem der Terrorismusforschung. Das ist schon lange so, hat sich aber seit dem 11. September 2001 entschieden verschärft ...
Die hier vorgelegte Skizze möchte dagegen »Terror« und »Terrorismus« begriffs- und sozialgeschichtlich kontextualisieren, denn zweifellos ist das, was Terror genannt wurde und wird nicht immer und überall dasselbe ... Terror kommt – obwohl oberflächlich gesehen immer überraschend – nicht »wie eine Naturkatastrophe über die Menschen« und wurde auch nicht von »Dynamitwerfern, Bombenlegern und Heckenschützen ... Ende des letzten Jahrhunderts im zaristischen Russland« erfunden (Ludger Lütkehaus). »Terreur« bzw. »Terror« meinte in der Französischen Revolution Formen unmittelbarer Gewaltanwendung unter dem Schutz und im Interesse des Staates. Der Begriff stand für die Steigerung vorhandener Gewalt ... Die Vielfalt von Gewaltformen, die mit dem Wort »Terror« abgedeckt werden können, rührt daher, dass sowohl die staatliche Gewalt von oben als auch revolutionäre Gewalten von unten terroristisch agieren können bei der Konkurrenz um politische Macht und Herrschaft. Und das ist der Grund dafür, dass als Terrorist immer der Andere gilt.